Thema: Bodenschätze und Bergbau: Bergbaupolitik – 07/2017

Aus Tansania Information
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Lizenzierung - Diskussion

Nach dem Niedergang der staatlichen Bergwerke in den Jahren nach 1970 liberalisierte Tansania 1998 den Bergbau und lud Privatinvestoren ein. Damit begann auch die heute umstrittene Ausfuhr von Mineralkonzentraten (Mineralsand) zur Weiterverarbeitung in Europa und Asien.

Das Bergbau-Gesetz von 2010 verbesserte die staatlichen Einnahmen aus Mineralien etwas, erreichte aber keine wirkliche Transparenz im Mineralsektor; es betrifft auch nur neue Kontrakte. Diese sehen immerhin eine Beteiligung der Staatsfirma STAMICO und Notierung an der Börse Dar-Es-Salaam vor. Dazu entwickelte die „Kammer für Mineralien und Energie“ zusammen mit dem World Wildlife Fund 2017 einen „Leitfaden für Tansanias Bergbau-Sektor“. Schon 2015 hatte eine interdisziplinäre Konferenz von Fachleuten vorgeschlagen, dass künftige Rohstoff-Verträge der „Africa Mining Vision“ der Afrikanischen Union von 2009 entsprechen. Diese strebt eine faire und entwicklungsorientierte Ausbeutung der Bodenschätze an. Sie soll vorrangig der Armutsbekämpfung und Verbesserung der staatlichen Einnahmen dienen.

Eine Edelmetall-Schmelze im Land würde viele Arbeitsplätze schaffen und die Feststellung der tatsächlich geförderten Mengen ermöglichen. Sie scheiterte bisher an der unzuverlässigen Elektrizitätsversorgung sowie fehlendem Spezialwissen. Ihre Kosten werden auf € 800 Mill. geschätzt. Eine Studie der Mineral-Kontrollbehörde erklärte 2011, eine solche Schmelze sei in Tansania nicht wirtschaftlich zu betreiben.

Der Generalkontrolleur (CAG) forderte die Regierung auf, von früheren Regierungen abgeschlossene Bergbau-Verträge (Mineral Development Agreements) zu revidieren. Diese begünstigten einseitig die ausländischen Investoren und schrieben für Tansania ungünstige Bedingungen langfristig fest. Bestehende Kontrakte müssen allerdings mit den einzelnen Unternehmen neu ausgehandelt werden. Der frühere CAG L. Utouh schlug vor, bei neuen Verträgen dem Beispiel Botswanas zu folgen. Dort ist der Staat Miteigentümer der Minen und teilt Kosten und Gewinne mit ausländischen Investoren.

Das Bergbau-Ministerium bietet über eine Internet-Plattform Lizenzierung und Gebühreneinzahlung an. Dies soll lange Wartezeiten vermeiden. Derzeit bestehen 5.919 Lizenzen für Exploration, 111 für einen Bergbaubetrieb und 2.595 für Kleinmineure.

Die Magufuli-Regierung verhängte mehrere Einfuhrverbote für Rohstoffe, um die heimischen Erzeuger zu stärken. 2016 verbot sie, Gips und Kohle einzuführen. Südafrikanische Kohle ist billiger und von besserer Qualität als die tansanische.

Citizen 09.04.; 14.06.17; DN 15.12.15; DN 29.04.16; 07.03.17; Guardian 13.08.16; 17.04.; 25.05.; 26.06.17; www.africaminingvision.org

Besteuerung

Das Bergbau-Ministerium bezifferte die Einnahmen des Staates aus Bergbau-Aktivitäten für die Jahre 1998 bis 2015 auf TZS 3 Bill. (€ 1,25 Mrd.). Seit 2014 entrichten die Bergbau-Firmen zuzüglich zur Körperschaftssteuer 4% des Bruttowerts ihrer Produkte als Lizenzgebühr. Die Lokalbehörden erhalten 0,3% vom Umsatz als Service-Gebühr. Die großzügigen Abschreibungsmöglichkeiten wurden etwas eingeschränkt.

Dennoch weisen die meisten Firmen beständig Verluste aus, was sie von der Körperschaftssteuer (30% auf Gewinne) befreit. So stellte das Oberste Finanzgericht 2016 fest, dass Acacia-Gold keine Steuern auf Gewinne, wohl aber $ 400 Mill. an seine Aktionäre zahlte. 2014 nahm der Staat TZS 1,2 Bill. aus dem Bergbau ein. Die drei großen Goldbergwerke gehörten zwar regelmäßig zu den zehn wichtigsten Steuer- und Sozialversicherungszahlern des Landes. Dennoch argwöhnt Präsident Magufuli seit Langem, dass sie massiv Steuern hinterziehen. Dazu bedienen sie sich einerseits manipulierter Rechnungen („transfer pricing“) und anderseits falscher Deklaration bei ausgeführten Mineralkonzentraten [s.u. S. 8 „Acacia-Skandal“].

Die von Kanada und EU finanzierte „Tanzania Extractive Industries Transparency Initiative“ (TEITI) setzt sich aus je fünf Delegierten der Regierung, der Unternehmen und von zivilgesellschaftlichen Gruppen zusammen. Sie soll sicherstellen, dass die Einnahmen aus Steuern, Lizenzen und Gebühren korrekt und transparent erhoben und verwaltet werden. Auch zu den bisher weitgehend geheimen Erschließungs- und Produktionsverträgen soll TEITI Ideen und Vorschläge beisteuern. Die TEITI-Berichte geben Aufschluss über die 59 privaten und 7 staatlichen Unternehmen, die in Tansania Rohstoffe gewinnen (www.teiti.or.tz – Stand 2015).

Kirchen mahnen seit Langem

Eine Untersuchung der Kirchen und des Muslimrats (finanziert von der Norwegischen Luth. Kirche) von 2008 (also vor der Neufassung des Gesetzes 2010) trägt den Titel „Eine goldene Gelegenheit? Wie Tansania daran scheiterte, vom Goldbergbau zu profitieren“. Der Bericht resümiert: „Der Goldbergbau ist der wachstumsstärkste Sektor... Dennoch hat der normale Tansanier nichts davon. Die einschlägigen Gesetze begünstigen übermäßig die ausländischen Unternehmen und schreiben diese Vergünstigungen für bis zu 50 Jahre fest. Hinzu kommen die Praktiken der Unternehmen … Tansania wird seiner natürlichen Reichtümer beraubt.“ Kirchen, Menschenrechtsgruppen und Oppositionsparteien hatten unter der Kikwete-Regierung vergeblich verlangt, alle Rohstoff-Verträge der Öffentlichkeit zugänglich zu machen [vgl. TI Dez. 14, S. 4f“; s.u. S. 10 „Soziale Auswirkungen, Konflikte“]. Ähnlich äußerte sich das „Umwelt-Aktionsteam der Anwälte“ (LEAT).

Citizen 23.11.16; 26.05.17,; DN 08.,10.10.14; 29.04.; 22.11.16; Guardian 18.05.16

Acacia-Skandal

Ein frappantes Beispiel liefert die kanadische Firma Acacia Mining Plc. Während ihre Mine North Mara das geschürfte Gold in Tansania zu Barren gießt, exportieren die Minen Bulyanhulu und Buzwagi (beide Shinyanga-Region) seit 2001 jährlich etwa 4.000 Container (à 10 t) mit Mineralkonzentrat, das Gold, Silber, Kupfer, Schwefel, Eisen und 9 weitere Mineralien enthält, darunter auch Tantal und Lithium. Die Metalle werden dann in europäischen und asiatischen Scheideanstalten gewonnen. Präsident Magufuli ließ nun im März 277 dieser Container festhalten und 47 davon von einer Expertenkommission analysieren.

Im Gegensatz zu seinen Vorgängern (es gab bereits fünf Untersuchungskommissionen) ließ Dr. Magufuli die Kommissionsberichte in einer aufwendigen Zeremonie live über Radio, Fernsehen und YouTube übertragen. Christliche und muslimische Geistliche beteten und ein Chor sang patriotische Lieder.

Die Experten berichteten, der Gehalt an Edelmetallen in den untersuchten Containern sei krass und kriminell unter-deklariert worden. Sie schätzten das tatsächlich exportierte Gold auf 1.240 bis 2.103 t mit einem maximalen Wert von TZS 183 Bill. (€ 76 Mrd); dazu etwa 300 t Silber, 230.240 t Kupfer und 230.000 t Schwefel. Die nicht deklarierten Metalle wie Zink, Nickel, Rhodium, Iridium, Beryllium und Lithium werden insgesamt auf TZS 58,8 Bill. (€ 24,5 Mrd.) geschätzt. Mit diesen Zahlen wäre Tansania einer der größten Goldproduzenten.

Eine weitere Kommission errechnete, dass seit 1998 44.277 Container mit Mineralkonzentraten exportiert wurden. Dabei seien dem Staat zwischen TZS 69 und 108 Bill. an Steuern und Gebühren vorenthalten worden. (€ 29 bis 45 Mrd.); dies entspricht dem Umfang des Staatshaushalts von drei Jahren, bzw. den Kosten der neuen Zentralbahn von DSM nach Mwanza.

Acacia-Gold habe ferner keine gültige Unternehmens-Registrierung in Tansania, andererseits ist die Firma beim Finanzamt, der Börse DSM (seit 2011) und der Bergbaubehörde TMAA (wahrscheinlich unter ihrem früheren Namen „Barrick Gold“) registriert.

Der Kommissionsbericht belastet frühere Administrationen unter den Präsidenten B. Mkapa (1995 - 2005) und J. Kikwete (2005 – 2015) - ohne jedoch die Präsidenten namentlich zu erwähnen -, die die für Tansania extrem ungünstigen Goldbergbau-Verträge abgeschlossen und zudem laxe Kontrollen geduldet haben. Dr. Magufuli selbst gehörte diesen Regierungen mehrfach als Minister an. Er befahl den Medien, seine Vorgänger in Ruhe zu lassen. Das kiswahili-sprachige Wochenblatt „Mawio“ wurde für zwei Jahre verboten, weil es Namen und Fotos der beiden Altpräsidenten im Zusammenhang mit dem Acacia-Skandal gezeigt hatte.

Die Kommission kritisiert besonders:

  • Fünf Jahre komplette Steuerfreiheit ab Produktionsbeginn für die Goldbergwerke
  • Generöse Steuervergünstigungen bei Einkommen-, Mehrwert- und Treibstoffsteuer
  • Aktuelle Steuersätze werden für die gesamte Betriebsdauer festgeschrieben
  • Investitionen können zu 80% von fälligen Steuern abgezogen werden
  • Investoren können die Firmen zu 100% besitzen, ohne Beteiligung des Staates
  • Bescheidene Lizenzgebühr („royalty“) von drei, später 4% vom Brutto-Produktwert (Diamanten 5%)
  • Profite können zu 100% repatriiert werden
  • Die Verträge waren streng geheim und konnten nicht einmal vom Parlament kontrolliert werden. Der Haushaltsausschuss hatte sie vergeblich beim Bergbau-Ministerium angefordert.
  • Die umstrittenen Mineralsand-Container wurden legal mit Kontroll-Siegel der TMAA exportiert, wobei jeweils vier Proben entnommen wurden.

Altpräsident Mkapas unvorteilhafte Verträge erstaunen, da er als entschiedener Gegner der von der EU angebotenen Partnerschaftsverträge (EPA) auftritt. Drei frühere Bergbau-Minister, weitere hohe Beamte, die Kontrollbehörde TMAA und die Hafenbehörde stehen im Verdacht, bei Betrugsmanövern der Acacia Mining mitgewirkt zu haben.

Die Opposition hebt hervor, die jahrzehntelange Plünderung der tansanischen Goldvorkommen habe ausschließlich unter CCM-Herrschaft stattgefunden. Sie müsse die Verantwortung dafür übernehmen und habe kein Recht zu moralischer Entrüstung. Auch die Holzbestände und Wild-Trophäen des Landes seien von unverantwortlichen Politikern ähnlich skrupellos verschleudert worden.

Citizen 31.10.14; 04.08.16; 12.,13.,14.,15.06.17; DN 13., 16.06.17; East African 06.06.17; Guardian 12.,14.,15.06.17

Konsequenzen

Der Aktienkurs von Acacia Mining brach um über 40% ein. Der Direktor der Bulyanhulu-Mine trat zurück. Der Vorstandsvorsitzende der Muttergesellschaft Barrick Gold Canada, Thornton, flog im Privatjet ein, um Präsident Magufuli durch Vermittlung des kanadischen Botschafters zu treffen. Thornton gilt als offen für eine verantwortlichere Geschäftsführung. Im Beirat von BGC sitzen mehrere ehemalige Minister, u.a. K.T. zu Guttenberg.

Magufuli sagte, die Firma „bereue“ nun ihre Fehltritte und sei bereit, Tansania für seine immensen Verluste zu entschädigen. Tansanische und kanadische Fachleute würden ihre Untersuchungsergebnisse abgleichen. Acacia Mining werde beim Bau eines Schmelzofens in Tansania kooperieren. Magufuli will das Ausfuhrverbot für Mineralsand aufrecht erhalten, bis ein solcher Ofen in Betrieb geht. Acacia teilte mit, Vereinbarungen seien noch nicht getroffen worden, sondern würden im beiderseitigen Interesse angestrebt. Wenn die Zahlen der Untersuchungskommission zuträfen, hätte allein Acacia während 10 Jahren die Hälfte der tansanischen Goldvorräte exportiert.

Magufuli entließ den Bergbau-Minister S. Muhongo, die Vorsitzenden und leitende Mitarbeiter des Investitionszentrums (TIC) und der Bergbau-Kontrollbehörde TMAA. Der Minister, den eine persönliche Freundschaft mit dem Präsidenten verbindet, hatte schon dem Kikwete-Kabinett angehört und war damals im Zusammenhang mit dem IPTL-Skandal [s.o. Aktuelles] entlassen worden. JPM erklärte, es sei inakzeptabel, dass die Experten jahrelang den Diebstahl tansanischer Mineralien nicht verhindert hätten.

Bergbau-Unternehmen mit einer „speziellen Lizenz“ müssen bis August mindestens 30% ihrer Aktien an der Börse Dar-Es-Salaam anbieten. Damit sollen breite Bevölkerungskreise von diesen Unternehmen profitieren. Dies betrifft die großen Gold-, Kohle-, Uran- und Zementfirmen. Die Firmen müssen künftig zusätzlich 1% des Ausfuhrwertes als Verrechnungssteuer zahlen.

Fünf Dörfer im Tarime-Distrikt verklagten die North Mara Gold Mine von Acacia auf Zahlung von $ 26 Mill., die noch ausstünden.

Citizen 02.,14.,15.06.17; DN 25.05.17; 6.17; East African 22.0 Guardian 26.05.; 15.,16.,17.06.17

Kommentare

Die Mehrheit stimmt Dr. Magufulis strikter Haltung zu: sie sei patriotisch und längst überfällig. Eine Minderheit mahnt zu besonnenen Schritten: zu einer unabhängigen Überprüfung der Mineralkonzentrate, zur Rücksicht auf Tansania als Wirtschaftsstandort und Vermeidung von Schadensersatz-Forderungen betroffener Firmen. Der Thinktank „Centre for Global Development“ hält die Ergebnisse der Kommissionen aus geologischen und finanztechnischen Gründen für unwahrscheinlich.

Der „Citizen“ erinnert daran, dass der erste Präsident J. Nyerere beschlossen hatte, die Rohstoffe so lange in der Erde zu belassen, bis das Land Fachleute mit genügend Wissen und ausreichend Ehrlichkeit habe, um von seinen Bodenschätzen wirklich zu profitieren, bevor sie zu Ende gehen. Bisher könne man weder den ausländischen, noch den einheimischen Experten trauen. Schließlich sei der – inzwischen entlassene – Rohstoffminister studierter Geologe und sein Ministerium voll von Fachleuten gewesen; die seit 50 Jahren regierende CCM habe das Plündern der Rohstoffe nicht wirksam verhindert.

Konsequent sei es daher, die bestehenden Verträge im Parlament zu durchleuchten und die geltende Verfassung zu überarbeiten. Sie gewähre der Exekutive, z.B. Ministern, exzessive Vollmachten. Demgegenüber müsse die demokratische Kontrolle durch Parlament und Justiz gestärkt werden. Der in der Verfassunggebenden Versammlung 2014 abgelehnte „Warioba-Entwurf“ hatte Vorkehrungen zum Schutz der Bodenschätze enthalten [vgl. TI Nov. 2014, S. 4f].

www.cgdev.org 23.06.17 Citizen 04.,10.,12.,14.06.17; Guardian 276.06.17