Thema: Geschichte Tansanias im Spiegel der Presse: Kolonialzeit – 06/2017

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Geschichtsbewusstsein

Altpräsident B. Mkapa bedauerte in einem Vortrag im Rahmen der „African Leadership Lectures“ (ALL) in Tamale, Ghana, dass junge Afrikaner die Geschichte von Sklavenhandel und Kolonialzeit nur aus der Sicht nicht-afrikanischer Historiker lernten. Dadurch erführen sie kaum etwas darüber, wie Afrikaner gegen Sklaverei und Kolonialismus gekämpft hätten. Mkapa lobte die USA, die den Februar als Monat der „schwarzen Geschichte“ eingeführt hätten. Die ALL wollen dazu beitragen, eine konstruktive Führungskultur in den afrikanischen Staaten zu entwickeln.

Die „Kriegsgräber-Kommission des Commonwealth“ veranstaltet alljährlich im November auf dem Kriegsgräber-Friedhof in Dar-Es-Salaam einen Gedenksonntag. Dabei wird der während des 1. Weltkriegs Gefallenen britischer, indischer und deutscher Herkunft gedacht. 2016 errichtete die Kommission ein Denkmal für 400 englische und indische Soldaten.

Ein Kommentator des Guardian erinnert daran, dass die Kolonialzeit Afrikas mit 72 Jahren relativ kurz war, verglichen mit Völkern, die wesentlich länger unter babylonischer, römischer oder englischer Herrschaft lebten. Gefährlich sei jedoch das Zusammenspiel kolonialer und postkolonialer Mächte mit einheimischen Eliten, um den Kontinent gemeinsam auszubeuten. Im Gegensatz zu vielen Anderen habe J. Nyerere dieser Versuchung widerstanden. Solche Führungsqualitäten brauchten die afrikanischen Staaten, um Armut und Abhängigkeit zu überwinden.

DN 15.11.; 29.05.16; 29.04.17

Koloniale Ausbeutung

Das Beispiel von Holzexporten und Plantagenwirtschaft zeigt koloniale Strategien: am Anfang standen Araber aus Oman, die um 1700 die Kontrolle der ostafrikanischen Küste von den Portugiesen übernahmen. Sie rodeten große Flächen auf Sansibar und die vormals komplett bewaldete Insel Pemba, um Nelken- und Kardamom-Plantagen anzulegen. Die Küstenwälder um das heutige Dar-Es-Salaam wichen Kokos-Plantagen. Deutsche und britische Kolonialverwaltungen setzten diese Politik fort.

1943 wurden 1.500 t Mahagoni-Holz exportiert, 1960, kurz vor der Unabhängigkeit 6.000 Tonnen. Insgesamt exportierte die Kolonie Tanganyika in diesem Jahr 8.000 t Holz. Citizen 13.07.14

Nachwirkungen

Eine Analyse des Citizen untersucht die Wurzeln der gegenwärtigen Vettern- und Günstlingswirtschaft in Parteien, Politik und öffentlichem Dienst. Der verbreitete Nepotismus sei zweifellos in alten afrikanischen Herrschaftstraditionen verwurzelt. Diese aber seien von den Kolonialmächten nach dem Prinzip „Teile und herrsche“ zugespitzt worden. So sei ethnischer, sippenbezogener und individueller Egoismus erstarkt und auch von Nyereres Ujamaa-Gedanken nicht wirklich überwunden worden.

Citizen 06.04.16

Deutschland-Reminiszenzen

Die Initiative „Berlin postkolonial“ möchte Straßen im Berliner Stadtteil Wedding, die an Kolonien und Kolonialisten erinnern, umbenennen. Der seit 30 Jahren in Deutschland lebende Tansanier S. Mboro ist nicht damit zufrieden, dass die nach „Hänge-Peters“ (Carl Peters) benannte Petersallee nun an Dr. Hans Peters erinnern soll. Er tritt dafür ein, sie nach der Aufstandsbewegung „Maji-Maji-Straße“ zu nennen. Viele deutsche Städte haben ihre kolonialzeit-bezogenen Straßen inzwischen umbenannt.

Die Business Times erinnerte an Vorgänge zu nationalsozialistischen Zeiten. In den Jahren nach 1930 gab es eine starke Nazi-Bewegung mit organisierter Hitler-Jugend in Tanganyika, die dann von der britischen Verwaltung verboten wurde. Am 4. Nov. 1938 demonstrierten mehrere tausend Menschen gegen den von der britischen Regierung erwogenen Plan, Hitlers Forderung nach Rückgabe Tanganyikas nachzugeben. 1938 gab es auch Überlegungen, jüdische Flüchtlinge in Tanganyika und anderen britischen Kolonien anzusiedeln. Der Plan wurde wieder aufgegeben, mit weitreichenden Folgen für Tanganyika und Palästina.

Mit 102 Jahren ist das auf dem Tanganyikasee verkehrende MV Liemba das weltweit älteste Passagierschiff. Die 1.575 t schwere und 71 m lange Liemba wurde 1913 in Papenburg konstruiert, 1915 in Kigoma montiert und unter dem Namen Graf Götzen vom Stapel gelassen. 1916 fettete die deutsche Besatzung die Motoren üppig ein und versenkte das Schiff nahe dem Ufer. Zunächst von Belgiern gehoben und bei einem Sturm wieder gesunken, wurde die Graf Götzen von Briten erneut gehoben und 1927 unter dem Namen Liemba in Betrieb genommen. Zunächst sollte das Schiff „Livingstone“ heißen. Da es bereits mehrere Schiffe dieses Namens gab, wählte man den Namen „Liemba“ („See“ in der lokalen Sprache der Wafipa). 1976 wurden bei einer Generalüberholung die Dampf- durch Dieselmaschinen ersetzt, die 1993 erneuert wurden. Die Liemba pendelt im 2-Wochen-Takt von Kigoma am nördlichen bis Mpulungu, Sambia am südlichen Ende des Tanganyikasees (ca 600 km). Sie hat 2 VIP-, 10 Erste-Klasse und 18 Zweite-Klasse-Kabinen und kann etwa 600 Passagiere befördern. 1997 transportierte die Liemba im Auftrag des UN-Flüchtlingsdienstes 75.000 kongolesische Flüchtlinge zurück in ihre Heimat. Ebenso beförderte sie viele burundische Flüchtlinge zu tansanischen Lagern.

Eine tansanisch-deutsche Theatergruppe führte 2015 in den Bahnhöfen von Kigoma, Tabora, Dodoma, Bagamoyo und DSM die Geschichte der Liemba auf.

Business Times 15.08,14; Citizen 21.02.; 06.03.16; DW 28.03.16; http://eineweltstadt.berlin/publikationen/stadtneulesen/petersallee/; Guardian 22.06.15