Thema: Geschichte Tansanias im Spiegel der Presse: Magufuli-Ära – 06/2017

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Werdegang und Person

John Pombe Magufuli (JPM) wurde 1959 in Chato, Geita-Region geboren. Mit seiner Frau Janet, einer Grundschullehrerin, hat er sieben Kinder. Er hält einen Doktorgrad in Chemie und arbeitete zunächst als Sekundarschul-Lehrer, dann als Industrie-Chemiker. 1995 wurde er Abgeordneter für Chato im Parlament, dann Minister für Öffentliche Arbeiten, später für Land und Siedlungen und schließlich für Viehzucht und Fischerei. 2010 wurde er erneut Minister für Öffentliche Arbeiten. Parallel dazu bekleidete er verschiedene Ämter in der CCM. Diese Erfahrungen gaben JPM Einblick in politische, parteipolitische, wirtschaftliche und gesellschaftliche Strukturen und ihre entscheidenden Schwachstellen.

Ein Kommentator der Arusha Times vergleicht Dr. Magufuli mit Friedrich dem Großen und seinem aufgeklärten Konzept des Staatsdienstes: dieser muss ethischen Standards genügen, Disziplin, Effizienz und Ehrlichkeit können erlernt werden und dem kann man durchaus mit autoritären Methoden nachhelfen. Sauberkeit ist ein hoher Wert, sowohl in der alltäglichen Umwelt als auch im gesellschaftlichen Leben. Magufuli spricht gern von „Eiterbeulen aufschneiden (kutumbua majipu)“ und „Unkraut ausrotten“. Die prinzipielle Wertorientierung verbindet JPM auch mit Staatsgründer J. Nyerere.

Andererseits zeigt sich der fünfte Präsident Tansanias ungeniert als Herrscher in afrikanischer Tradition: Kritik ist fortschrittsfeindlich und eine Form von Majestätsbeleidigung. Mitarbeiter wie Distrikts- und Regionalkommissare werden eher nach ihrer Loyalität als nach ihrer Kompetenz ausgewählt. Zivilgesellschaftliche Organisationen stehen im Verdacht, westlich gesteuert zu sein (was bei Manchen auch zutrifft). Experten, die Magufuli zu widersprechen wagten, wurden kurzerhand gefeuert, so der Informationsminister N. Nnauye und der verdienstvolle Schatzmeister L. Mafuru.

Viele Fachleute scheinen sich daher zurückzuhalten und lieber Fehlentscheidungen in Kauf zu nehmen. Der Kampf gegen die Korruption scheint an Schwung zu verlieren, weil JPM auf persönliche Interventionen setzte und auf starke Kontroll-Institutionen verzichtete. Die Sparsamkeit in den öffentlichen Haushalten droht die Wirtschaft abzuwürgen, weil JPM davon absah, mit gezielten Investitionen den Geldfluss aufrecht zu erhalten [s. S.10 „Probleme“].

Arusha Times 28.05.16; Citizen 16.04.17; DN 23.07.16;

Prioritäten

Finanzielle Konsolidierung: JPM sparte große Summen ein mit verkleinertem Kabinett, stark reduzierten Auslandsreisen, verhinderten Veruntreuungen und enttarnten fiktiven Mitarbeitern, Rentnern und Studierenden. Die Regierung zahlt schrittweise ihre immensen Schulden bei privaten und Staatsunternehmen ab. Das erweist sich jedoch als kompliziert, weil nicht wenige Forderungen betrügerisch sind. Von TZS 36 Mrd., die Dünger-Lieferanten forderten, seien nur 8 Mrd. berechtigt. Die öffentlichen Haushalte legen immer noch sehr unrealistische Einnahmen zugrunde; z.B. konnte das Wasserministerium 2016/17 nur über 20% seines Budgets verfügen. Das groß angekündigte neue Lehrkrankenhaus der Uni DSM konnte den Betrieb nicht aufnehmen, da nichts von den TZS 14,5 Mrd. dieses Jahres ausgezahlt werden konnte.

Korruptionsbekämpfung: Einige schwere Fälle wurden aufgedeckt, die Kompetenzen der zuständigen PCCB wurden etwas erweitert. Entscheidend ist, dass Bestechlichkeit in großem Stil nicht mehr als unvermeidlich gilt und nicht mehr straflos bleibt.

Effizienzsteigerung im Öffentlichen Dienst: Viele Bagatellsteuern wurden abgeschafft, die Arbeitsmoral besserte sich. Im Blick auf Vorschriftenwust und bürokratische Hemmnisse ist aber noch viel zu tun.

Bildungswesen: Bis zur Mittleren Reife ist der Schulbesuch nun kostenlos. Die meisten Schulen hatten dank einer umfassenden Kampagne genügend Schulbänke. Zugleich verdoppelten sich jedoch die Elementar-Schülerzahlen, sodass erneut schmerzliche Engpässe bei Ausstattung der Schulen und Lehrpersonal auftreten. Es gibt wesentlich mehr Studiendarlehen und ihre Rückzahlung wird energisch durchgesetzt.

Infrastruktur: Gigantische Projekte wie die neue Zentralbahn, neue Häfen, Flugplätze, Straßen und zahlreiche Sonderwirtschaftszonen und Gewerbeparks sollen die Wirtschaft ankurbeln [vgl. TI Mai 17, S.8]. Dies kann sich langfristig positiv auswirken, erhöht jedoch zunächst die Schuldenlast. Für die meisten Großprojekte besteht noch keine tragfähige Finanzierung.

Prestige: Die überschuldete Air Tanzania erhielt vier neue Flugzeuge, weitere sind bestellt. Ob sie zumindest kostendeckend betrieben werden können, muss sich zeigen.

Hauptstadt Dodoma: Mit der sehr kostspieligen Umsiedlung der Regierungsbehörden von Dar-Es-Salaam nach Dodoma verwirklicht Magufuli ein Prestigeprojekt und bestätigt sich als Vollstrecker des Willens des Staatsgründers Nyerere, der Dodoma 1973 zur Hauptstadt Tansanias erklärte.

Probleme

Entgegen den Erwartungen Vieler brachten die Konsolidierungs- und Sparmaßnahmen keine schnellen Erfolge. Nach Meinung des IMF (Währungsfonds) hat Magufuli zu Recht die laufenden Staatsausgaben scharf gekürzt. Da aber nicht gleichzeitig Investitionen und Infrastrukturprogramme hochgefahren wurden, entstand eine Geldknappheit, die die Wirtschaft schrumpfen ließ: Hotels, Bars und Taxis verloren Kunden und Arbeitsplätze. Banken blieben massenhaft auf faulen Krediten sitzen; drei Banken mussten bereits unter Zwangsverwaltung gestellt werden, viele kleineren Gemeindebanken sind gefährdet. Die erwartete Steigerung der Steuereinnahmen fiel wegen der wirtschaftlichen Flaute bescheiden aus.

Wegen der manipulierten Sansibar-Wahl und der eingeschränkten Meinungsfreiheit zeigten Geberländer eine gewisse Zurückhaltung.

Spontane Import- und Exportverbote irritierten die Geschäftswelt und führten zu Engpässen, z.B. bei Zucker, Zement und Kohle.

Citizen 16.04.; 02.,11.,15.05.17; DN 16.05.17; Guardian 13.,16.,05.17

Knackpunkt Demokratieverständnis

Prägend für Magufuli war die Erfahrung, dass zur Zeit seiner Wahl mehrere CCM-Führungspersonen zur Opposition übertraten und sein Gegenkandidat E. Lowassa fast 40% der Stimmen errang, was einen Machtverlust der CCM in den Bereich des Möglichen rückte. JPM will 2020 unbedingt mit besseren Werten wiedergewählt werden. Daher blockiert er oppositionelle Parteien mit alle Mitteln, vom Verbot öffentlicher Parteikundgebungen (bis zur Wahl 2020) bis zur Einstellung der Direktübertragungen aus dem Parlament. Auch die illegitime Wahlwiederholung auf Sansibar setzte er unter Einsatz der Armee durch. In Dar-Es-Salaam und Tanga wurden 2016 lokale Wahlen zugunsten von CCM-Kandidaten manipuliert.

Die CHADEMA plante für den 1. Sept. 2016 einen „Tag des Widerstands“ gegen „diktatorische Tendenzen“, verzichtete aber nach Beratungen mit Religionsführern darauf, um blutige Auseinandersetzungen zu vermeiden. Danach verbot die Regierung auch viele interne Parteisitzungen, weil diese möglicherweise Ruhe und Frieden gefährdeten. Sicherheitskräfte führten ostentative „Bereitschaftsübungen“ durch. Ein Gesprächsangebot von Religionsführern zur Problematik der Bürgerrechte nahm Magufuli nicht wahr. Im diesjährigen Bericht von Amnesty International wird daher eine Erosion der zivilen und politischen Rechte in Tansania vermerkt.

Entwicklungspolitisch lässt sich Präsident Magufuli von den asiatischen „Tigerstaaten“, Ruanda und der Türkei inspirieren, die unter autoritärer Führung ihre wirtschaftliche Entwicklung vorangetrieben haben. Politische Debatten bezeichnet JPM daher gern als wenig hilfreiches Geplauder. Er vergleicht sich mit einem LKW-Fahrer auf schwieriger Piste, der Gerede und Gesinge seiner Passagiere ignorieren und sich auf die Straße konzentrieren muss. Auch den Vergleich mit einem Bulldozer, der unbeirrt von kleinen Kollateralschäden seinen Auftrag erledigt, lässt er sich gern gefallen.

Der „Citizen“ erinnert demgegenüber an das entwicklungspolitische Konzept Nyereres, nach dem Freiheit und Entwicklung untrennbar zusammengehören. Wie es ohne Hühner keine Eier gäbe und umgekehrt, so sei auch eine gesunde wirtschaftliche Entwicklung nur in einer Atmosphäre persönlicher und politischer Freiheit denkbar. Präsident Magufuli habe zwar den Aspekt der politischen und wirtschaftlichen Selbstbestimmung kraftvoll aufgegriffen und tue sei Bestes, um das Land von ausländischen Einflüssen unabhängig zu machen. Umso schmerzlicher vermisse man aber unter ihm die von Nyerere hochgehaltene individuelle Menschenwürde, Gleichheit aller vor dem Gesetz, sowie Rede- und Pressefreiheit.

Unbescholtene Bürger würden entführt und willkürlich verhaftet, die Versammlungsfreiheit sei unerträglich eingeschränkt. Der Menschenrechtsbericht des Menschenrechtszentrums LHRC 2016 verzeichne für die letzten zwei Jahre mehr als 50 Fälle von Belästigungen, Angriffen, Verhaftungen und Kriminalisierung von Menschenrechts-Verfechtern. So seien zehn Organisationen wegen Spionage und Sabotage angeklagt worden, weil sie die Rechte von Viehhirten im Loliondo-Distrikt verteidigten. Journalisten seien angegriffen, beleidigt, diffamiert und behindert, ihre Ausrüstung beschädigt worden. Drakonische Gesetze beschränkten die Meinungsfreiheit.

Diese Restriktionen verletzen die Verfassung und internationale Abkommen. Die Justiz übte zwar Kritik an einzelnen Fällen von Polizeiwillkür, konnte aber nicht durchsetzen, dass die Versammlungsfreiheit wiederhergestellt wird. „Reporter ohne Grenzen“ sieht Tansania 2017 bezüglich der Pressefreiheit auf Rang 122 von 198 und damit 12 Plätze schlechter als im Vorjahr.

Vizepräsidentin S. Suluhu betonte am „Tansanischen Tag der Menschenrechtsverteidiger“ (28. April), die Regierung schätze den Beitrag der Zivilorganisationen, sichere jedoch letztlich mit Polizei (sic!) und staatlicher Menschenrechtskommission allein die Menschenrechte.

Citizen 16.,23.04.; 03.,09.,10.05.17; Guardian 08.11.15; 30.04.17

Verbündete

Magufuli sucht Verbündete nicht in anderen politischen Parteien, kaum auch im Parlament, sondern eher über die staatlichen Medien im einfachen Volk. Besonders pflegt er ein gutes Verhältnis zu den Kirchen und zur Armee. Er besuchte frühzeitig die Militärakademie in Monduli und ließ neue Offiziere erstmals im Präsidentenpalast in Dienst stellen. JPM zeigte sich bei seinem Antrittsbesuch in der Arusha-Region in voller Militäruniform (als Oberbefehlshaber), was vor ihm kein Präsident getan hatte, außer Nyerere zur Zeit des Ugandakriegs. Mehrere von Magufuli ernannte Distrikts- und Regionalkommissare sind ehemalige Offiziere der Streitkräfte.

Der fünfte Präsident besucht häufig Gottesdienste aller Konfessionen, wo er auch zu den Besuchern spricht, um ihre Fürbitte ersucht und großzügige Spenden tätigt. In einem Gottesdienst in Moshi erklärte Magufuli: „. . . unser Land hatte einen schrecklichen Zustand erreicht, wir trieben auf ein katastrophales Ende zu . . . Ich hasse Bosheit und bin ein gottesfürchtiger Mensch. Deshalb bin ich strikt und gehe entschlossen gegen . . . Korrupte, Betrüger, Diebe, Drogenhändler und Unterdrücker der Unterprivilegierten vor. . . Ich bin entschlossen, diesen Krieg in Gottesfurcht weiterzuführen“.

Der Leitende ELCT-Bischof Dr. F. Shoo forderte die Gottesdienstbesucher auf, die gute Arbeit der Fünften Regierung anzuerkennen. Er fügte hinzu, Präsident Magufuli sei kein Engel und könne auch Fehler machen. Er bat JPM, auf Ratschläge zu hören; die Kirchen und andere gesellschaftliche Gruppen seien zu Hinweisen und Ratschlägen bereit, die gesellschaftlichen Frieden und Fortschritt fördern. Magufuli versprach Zollbefreiungen für die Einfuhr von Krankenhaus- und Schulbedarf der Kirchen.

In seiner CCM (Revolutionspartei) hat Magufuli zwar den Vorsitz, muss sich aber gegen rivalisierende Kräfte durchsetzen, die zum Teil auch von seinen Reformen betroffen sind. JPM versucht daher, sich durch strikte Umsetzung des CCM-Wahlprogramms unangreifbar zu machen. Er band auch die Fraktion seines Vorgängers Kikwete geschickt ein, indem er dessen Ehefrau als Abgeordnete berief [TI April 2017]. Er führt jedoch auch sehr offen die Probleme des Landes auf schwere Versäumnisse der Führungselite zurück: Seine schmerzhaften Sparmaßnahmen seien notwendig, weil frühere Verantwortliche so viel Schlamperei, Verschwendung und Veruntreuung zugelassen hätten.

Citizen 23.01.16; DN 29.04.; 01.05.17