Thema: Gesundheitswesen I:Krankheiten und ihre Bekämpfung: Nicht übertragbare, Lifestyle- und seltenere Krankheiten - 05/2016

Aus Tansania Information
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Zivilisations- und Mangelkrankheiten

Die Ausgaben für die Behandlung von nicht übertragbaren Krankheiten steigen steil an. Die Internationale Diabetes-Stifftung rechnet für Tansania mit 823.000 Diabetes-Patienten, das Gesundheitsministerium hält 9% der Erwachsenen für zuckerkrank (1980: 1%). Die Behandlung eines Diabetes-Patienten kostet TZS 408.000 jährlich (ohne Folgeerkrankungen). Als wichtige Krankheits-Ursachen gelten hoher Zucker- und Alkoholkonsum, Bewegungsmangel und Übergewicht.

Bluthochdruck wird bei 27% der Erwachsenen festgestellt (1980: 5%), zunehmend bei Unter-Dreißig-Jährigen. Auch hier gilt eine ungesunde Lebensweise, z.B. Rauchen, hoher Salzkonsum und Bewegungsmangel als ursächlich. Die Tansanische Herzgesellschaft rechnet damit, dass in naher Zukunft 20% aller Sterbefälle durch Herz-Kreislauf-Erkrankungen verursacht werden. Der wirtschaftliche Schaden für das Land wird mit $ 100 Mill. jährlich beziffert.

In Dar-Es-Salaam sind laut Gesundheitsministerium 19,2% der Erwachsenen fettleibig. Im Sanitas-Krankenhaus in DSM bieten indische Spezialisten Fettabsaugung für Frauen an. Die Arzneimittel-Behörde warnt vor Schlankheitsmitteln, die über Straßenverkauf und Internet vertrieben werden. Sie seien überteuert, gefährlich und nicht zugelassen.

Besonders bei Kindern unter fünf Jahren ist Mangelernährung noch verbreitet. Daher zeigen 42% von ihnen Wachstumsverzögerungen. 33% (bei gebärfähigen Frauen: 37%) haben Mangel an Vitamin A, verbunden mit Entwicklungsstörungen an Augen und Gehirn. Eisenmangel: 59% (Frauen 40%); häufig fehlt auch Folsäure, die sich in frischem Obst und Gemüse findet. Drei von 1000 Babies werden deshalb mit offener Wirbelsäure, insgesamt 40.300 jährlich mit neuronalen Schädigungen geboren. Nur etwa 200 von ihnen finden Behandlung in spezialisierten Kliniken (Muhimbili, CCBRT in DSM, KCMC in Moshi).

2015 erhielten 8,3 Mill. Kinder Vitamin-A-Präparate, 7,5 Mill. zusätzlich Entwurmungsmittel. Mit Vitamin A angereichertes Maismehl wird bereits angeboten. Die WHO empfiehlt, „Golden Rice“ zuzulassen, eine genmanipulierte Reissorte mit viel Vitamin A. Greenpeace u.a. sind dagegen und meinen, eine abwechslungsreiche Diät mit Mangos, Canistel, Kürbis, Jute- und Amaranth-Blättern liefere genügend Vitamin A und dazu wichtige Mineralien.

Citizen 15.03.16; DN 23.04.14; 22.04.16; Guardian 03., 21.11.14, 06.03.; 20.05.; 11.06; 15.11.15; 16.01.16; 06.03.16

Krebs

In Tansania rechnet man mit 7.300 Neuerkrankungen an Gebärmutterhals-Krebs pro Jahr (54 auf 100.000 Frauen). Der Zervikal-Krebs ist damit die bei Frauen häufigste Krebserkrankung. Das Bugando-Krankenhaus (Mwanza) teilte mit, dass sich seit 2013 die Zahl der Fälle verdoppelt habe. Zunehmend seien auch junge Frauen betroffen. Dem Krebs-Spezialkrankenhaus (ORCI - Ocean Road, DSM) zufolge präsentieren sich die meisten Patientinnen (80%) erst in fortgeschrittenen Krankheits-Stadien zur Untersuchung. Das ORCI bietet kostenlose Vorsorge-Untersuchungen an.

Seit 2014 läuft in TZ ein Impfprogramm gegen Papillom-Viren (HPV), die den Cervixkrebs auslösen können. Bisher wurden 93% der Mädchen zwischen 9 und 13 Jahren erreicht, obwohl die Impfung im Internet vielfach als gefährlich geschildert wird. Der WHO-Repräsentant äußerte sich zuversichtlich über den Erfolg des für 2017 geplanten HPV-Impfprogramms, da Tansania bei früheren Impfkampagnen gute Ergebnisse erzielt habe. Die zweite Phase der Zervikal-Krebs-Früherkennung wurde 2015 in den Regionen Iringa, Mbeya und Mwanza durchgeführt. Eine britische Stiftung finanziert dabei Mitarbeiter-Training, Aufklärung und Untersuchung möglichst vieler Frauen.

Seit der frühere Präsident J. Kikwete öffentlich machte, dass er sich einer Prostatakrebs-Behandlung in den USA unterzogen hatte, melden sich in DSM mehr Männer als bisher zur Vorsorge-Untersuchung (etwa 20 pro Monat).

Eine tansanisch-indische Stiftung finanzierte die Ausbildung mehrerer Tansanier zu spezialisierten Kinder-Onkologen.

Zwar ist öffentliche Werbung für Tabak-Produkte verboten. Gesundheitsexperten fordern jedoch darüber hinaus ein totales Tabakverbot, das auch Wasserpfeifen einschließt. Zumindest sollten die Risiko-Warnungen auf Zigarettenpackungen auffälliger und abschreckender gestaltet werden.

Citizen 07.03.15;04.02.16; DN 04.04.15; 14.02.; 06.04.16; Guardian 21.03.; 14.10.14; 16.01.15; 26.08.15

Weitere Krankheiten

In Tansania werden jährlich etwa 10.000 Kinder mit der Erbkrankheit Sichelzellen-Anämie (SCD) geboren. Betroffene Regionen sind vor allem Küste, Südtansania und Seenregion. Die deformierten roten Blutzellen verursachen allgemeine Schwäche und oft den Tod im Jugendalter. SCD wird oft noch auf Zauberei zurückgeführt, kann aber symptomatisch behandelt werden. Reihenuntersuchungen gibt es bisher nur am Muhimbili-Nationalkrankenhaus in DSM, das auch über eine hämatologische Forschungsabteilung verfügt. Diese fand in Zusammenarbeit mit der Universität Cambridge neue Erkenntnisse über die DNA, die die Hämoglobin-Bildung steuert. Die kostenfreie Behandlung läuft allerdings mit dem Ende des 12-jährigen Forschungprojekts der Welcome-Stiftung aus.

Jährlich werden etwa 1.700 Kinder mit Klumpfuß geboren. Diese Missbildung kann chirurgisch und physiotherapeutisch behandelt werden. Das Gemeindliche Rehabilitationszentrum (CCBRT www.ccbrt.or.tz; dort auch Information über nationale und internationale Partner) bietet mit finanzieller Hilfe der Telefonfirma Tigo kostenlose Hilfe an. Die Behandlung kostet die Träger je nach Alter des Patienten € 50 bis 500. Das CCBRT vermittelte auch 1.300 Kindern mit Lippen / Gaumenspalte eine erfolgreiche Operation.

Jährlich werden etwa 4.000 Kinder mit Wasserkopf-Syndrom geboren. Nur circa 100 werden zur Behandlung vorgestellt, die Meisten aus Scham verborgen. Das Orthopädische Institut der Muhimbili-Klinik bietet ab April 2016 in den Regionen Dodoma, Morogoro, Mwanza, Shinyanga und Singida Beratung und chirurgische Korrektur durch ein Spezialisten-Team an. Der Kostenaufwand für eine solche Operation beträgt etwa TZS 1 Mill., die Patienten erhalten diese Hilfe grundsätzlich kostenfrei.

64% der Bevölkerung haben Zahnprobleme, bei Kindern etwa 30%. Statistisch muss ein Zahnarzt 120.000 Patienten versorgen (die WHO empfiehlt einen Dentisten für 7.500 Personen). Die Vereinigung der Zahnärzt/innen forderte alle Eltern auf, ihre Kinder zu regelmäßigem Zähneputzen zu erziehen und jährlich eine Vorsorge-Untersuchung zu absolvieren.

Das KCMC-Krankenhaus berichtet, dass mehr als 300.000 Menschen eine Glaukom-Erkrankung haben, die zur Erblindung führen kann. Die Fachleute riefen zu regelmäßigen Kontroll-Untersuchungen auf. Die gefährlichste Infektionskrankheit der Augen ist in Tansania das Trachom. Die von Fliegen übertragenen Erreger verursachen eine chronische Entzündung des Augenlides, das vernarbt und mit der Zeit die Hornhaut bis zur Erblindung zerkratzt. Die meisten Betroffenen leben in den Regionen Dodoma, Singida und Tabora. Im Distrikt Dodoma-Land sind 60% der Unter-10-Jährigen infiziert. Das Trachom wird im Frühstadium antibiotisch, später chirurgisch behandelt.

In der Kilimanjaro-Region wurde beobachtet, dass Bilharziose und Wurmkrankheiten vermehrt auftreten. Die Bevölkerung wurde aufgefordert, nur sauberes Wasser zu konsumieren.

Im Verlauf des Jahres 2015 verteilte das Gesundheitsministerium flächendeckend Medikamente gegen die „Vernachlässigten Tropenkrankheiten“ wie Wurmbefall, Elephantiasis, Bilharziose u.a.; diese machen etwa 21% aller übertragbaren Krankheiten in Tansania aus.

Forscher am Bugando-Hospital in Mwanza entdeckten ein neues Bakterium, das bei Neugeborenen oft eine tödliche Sepsis verursacht. Der Erreger wurde „Enterobacter Bugandensis“ benannt. - Am Hafen und Flugplatz von Mwanza wurden im Februar Reisende auf erhöhte Temperatur geprüft, um mögliche Infektionen mit dem Zika-Virus zu entdecken.

Wegen der rapide zunehmenden Verkehrsunfälle, vor allem mit Motorrädern, benötigt das Land etwa 400 Neurochirurgen, verfügt derzeit aber nur über acht Ärzte mit dieser Spezialausbildung. Diese ist sehr kostspielig und dauert sechs Jahre.

Die Psychiatrie am Mawenzi-Krankenhaus in Moshi ist wegen der Vielzahl der Patienten stark überlastet.

Psychiater und Kriminologen berichten, dass es deutlich mehr Selbstmorde gibt als früher. Etwa 700 Fälle werden jährlich bekannt; die Zahl der Selbsttötungs-Versuche liegt 10 mal höher. 70% der Selbstmörder sind Männer. Besorgnis erregen die vielen Selbsttötungsversuche Jugendlicher, darunter auch vieler Mädchen. Als Motive werden genannt: Familiäre Konflikte, Examensversagen, Minderwertigkeitsempfinden, wirtschaftliche Probleme, ungewollte Schwangerschaft, HIV-Infektion, Alkohol- und Drogenkonsum, Misshandlung und sexueller Missbrauch. Depression wird nur selten als Erkrankung erkannt und behandelt.

Die Mediziner-Vereinigung Tansanias warnte vor Homosexualität. Sie führe wegen der vor allem bei Männern hohen Promiskuität zu gefährlichen Ansteckungskrankeiten wie Geschlechtskrankheiten, HIV/AIDS und Hepatitis B und verursache hohe Behandlungskosten.

Citizen 21.06.14; 12.01.; 13.07.; 11.12.15; 09.02.16; Guardian 17.03.; 09.11.14; 19.,26.04.16; DN 14.,16.03.; 26.06.; 26.04.14; 10.02.; 28.06.; 09.10.; 18.12.15; 21.04.16

Umweltgefahren

Das Nelson Mandela African Institute of Science and Technology ((NM-AIST) erhielt TZS 5 Mrd. von der Gates-Stiftung, um mögliche Krankheits-Erreger in Wildfleisch zu erforschen. Das sogenannte „Buschfleisch“ wird rege gehandelt und kann gefährliche Keime wie Ebola, Brucellose, Marburg-Virus und bisher unbekannte Viren auf Menschen übertragen. An den Forschungen wirken ferner mit die Frankfurter Zoologische Gesellschaft und US-amerikanische und kenianische Universitäten.

Die Nahrungsmittel-Behörde warnte vor Gemüse, das in großem Stil in Dar-Es-Salaam angebaut wird. Weil ihnen kein sauberes Wasser zur Verfügung steht, verwenden die städtischen Bauern Abwässer aus dem Msimbazi-Fluss, aus Industriebetrieben und Slumgebieten. Dieses Wasser kann gefährliche Keime transportieren und enthält Schwermetalle wie Blei, Kupfer, Cadmium und Chrom. Auch die zum Anbau verwendeten Böden können belastet sein, oft mit Transformatoren- und Maschinenöl.

Fischereifachleute wiesen darauf hin, dass noch immer Fisch aus dem Victoriasee verkauft wird, der mit Hilfe von Insektiziden wie Thiodan getötet wurde. Das Gift schädigt beim Menschen Leber und Fortpflanzungsorgane.

In Arusha leiden viele Frauen an Harnwegsinfekten. Man vermutet, dass die Ursache dafür „westliche“ Toilettensitze in öffentlichen Anlagen sind. Die „asiatischen“ Toiletten haben keinen Sitz und vermeiden so viele Gefahren. 2015 verfügten nur 25% der Haushalte über Toilettenanlagen. Bis Ende 2016 soll es die Hälfte sein. Die meisten häuslichen, sowie 60% der Schul-Toiletten bieten keine Möglichkeit zum Händewaschen. Viele Durchfallerkrankungen könnten durch Händewaschen mit Seife vermieden werden.

Die Behörde für Nahrungsmittel und Medikamente (TFDA) gab zu, dass es bisher nicht gelungen ist, Kosmetika mit schädlichen Chemikalien aus den Läden und dem Straßenhandel zu verbannen. Daher startete sie eine große Aufklärungskampagne an allen Schulen über die Gesundheitsrisiken. Die TFDA verbot 30 von lokalen Firmen hergestellte Produkte, weil sie verbotene Wirkstoffe enthalten. Die Hersteller müssen sie auf eigene Kosten vernichten. 2015 vernichtete die TFDA insgesamt 16 Tonnen verbotener Kosmetika. Die Einfuhr von Drogen zur Penisverlängerung und ähnlicher betrügerischer Produkte wurde verboten und mit Strafe bedroht.

Arusha Times 16.05.; 12.12.15; DN 10.06.;20.07.15; 11.01.; 16.02.16; Guardian 09.,25.06.14; 18.08.; 12.,19.11.15; 02.,04.,16.02.16