Zu Änderung bzw. Neufassung der Verfassung - 02/2011

Aus Tansania Information
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Forderungen und Kritikpunkte

Die Verfassung wurde 1977 verabschiedet, in der Zeit des Einparteiensystems, seither verschiedentlich geändert. Nun wird häufig Kritik geübt.

Viele sprechen von einer Änderung, andere fordern eine komplette Neufassung. Da-rüber entbrannte eine hitzige Debatte.

Der Generalstaatsanwalt ist überzeugt, Tansania benötige keine neue Verfassung. Ein bekannter Rechtanwalt unterstützt ihn. Wer eine neue Verfassung fordere sei "ein Pseudo-Akademiker, denn man kann keine absolut neue Verfassung formulieren, als sei das Land bisher ohne Verfassung regiert worden", sagte er.

Die Tanganyika Law Society (TLS) und einige Rechtsanwälte betonten, es sei an der Zeit, einen Dialog über Reformen zu initiieren. Ähnlich äußerte sich der Vorsitzende der Commission for Human Rights and Good Goverment, ein Professor der University of Dar-es-Salaam (UDSM), die Oppositionsparteien Chadema, CUF und TLP u. a..

Das Tanzania Centre for Democracy (TCD) organisierte ein Treffen für Vertreter der Parteien und Interessierte. Sie äußerten, an den Diskus-sionen über die Verfassung sollten Vertreter von der Spitze bis zur Dorfebene teilnehmen. Viele wünschen entsprechende Seminare.

Der Christian Council of Tanzania (CCT) forderte die Regierung auf, den Prozess zu beschleunigen.

Die muslimische Gemeinschaft unterstützt die Idee einer neuen Verfassung und will vorschlagen, welche islamischen Prioritäten ein- und welche ausgeschlossen werden sollen.

Der Gesundheitsminister Sansibars riet der Regierung, die Verfassung so zu ändern, dass nach der Wahl 2015 eine Einheitsregierung (GNU) gebildet werden kann. Ähnlich äußerte sich die TLP.

Die CCM erklärte, sie sei bereit, sich mit Oppositionsparteien zu "nüchternen" Diskussionen über die Verfassung zu treffen.

Häufig wird kritisiert, dass die Wahl des Präsidenten laut Verfassung nicht angefochten werden kann, sobald ihr Ergebnis bekanntgegeben wurde. Auch die Ernennung der Mitglieder des National Election Comitees durch den Präsidenten wird vielfach kritisiert. Einer unabhängigen Electoral Commission müssten Parteien, Intellektuelle, Forscher und andere Personen angehören, forderte der Christian Council of Tanzania (CCT).

An Silvester lud ein Netzwerk religiöser Gemeinschaften zu nächtlichen Gebetsgottesdiensten für die neue Verfassung ein. Als Ehrengast nehme der Vizepräsident teil, sagte der Vorsitzende der Fellowship of Churches. (DN 31.12.10/7./10.1.11; Guardian 15./16./17./21./22./29./30.12.10; Citizen 29./30.11./10./14./ 23.12.10)

Zu einem Entwurf der CUF

Vier Jahre lang arbeitete die Oppositionspartei CUF an einem Verfassungs-Entwurf. Er soll als Katalysator wirken. Die CUF will die Macht des Präsidenten einschränken und schlägt eine Struktur mit drei Regierungen vor, eine für Tanganyika, eine für Sansibar und eine für die Vereinigte Republik Tansania. Der Entwurf wurde dem Ministerium für Justiz und Verfassungsfragen überreicht. Bei einer in diesem Zusammenhang geplanten, aus Sicherheitsgründen nicht genehmigten Demonstration wurden vier Personen verhaftet, weil sie Steine auf Polizisten geworfen hatten. Um die Menschenmenge auseinander zu treiben, gab die Polizei Warnschüsse ab. (DN 28./29.12.10; Guardian 25./28./29./30.12.10; Citizen 28./29./30.12.10)

Kikwete plant Sonderkommission

Premierminister Pinda sagte, er werde Präsident Kikwete raten, ein Team zu ernennen, das die Modalitäten der Ausarbeitung einer neuen Verfassung prüft.

In seiner vom Fernsehen übertragenen Silvester-Ansprache sagte Kikwete, er werde eine Sonderkommission einsetzen, die die Revision der Verfassung überwacht. Ihr würden alle Teile der Gesellschaft ohne Diskriminierung angehören, Personen Tansania Festlands und Sansibars, Vertreter von Parteien, von zivilgesellschaftlichen und religiösen Organisationen, Geschäftsleute, Akademiker, Personen die im Land und außerhalb leben. Geleitet werde die Kommission von einem erfahrenen Rechtsanwalt. Sie werde die Meinungen aller Gruppierungen sammeln. Ihre Empfehlungen würden an die zuständigen Organe weitergeleitet.

Die Reaktionen auf Kikwetes Entscheidung waren gemischt.

Viele lobten sie, unter ihnen die TLS, das Legal and Human Rights Centre (LHRC), auch ein Professor der University of Dar-es-Salaam (UDSM). Ein anderer sagte, wenn der Entwurf fertig ist, sollte er dem Volk für ein Referendum vorgelegt werden. Dieses Vorgehen habe sich in Kenia und Sansibar als nützlich erwiesen. Der CCM-Generalsekretär forderte die Parteien auf, der Kommission ihre Vorschläge zu senden. Der Exekutivdirektor des LHRC betonte, für eine Reform der Verfassung werde eine Verfassungs-Versammlung benötigt. Andere fürchten, Kikwete beabsichtige lediglich, den Druck aus der Forderung nach einer neuen Verfassung zu nehmen. Die CUF droht, gegen Kikwetes Team zu protestieren. (DN 2./4./7.1.11; Guardian 18.12.10/2./ 3./7.1.11; Citizen 2./ 3.1.11)

Forum

Ein von der Academic Staff Association (Udasa) der University of Dar-es-Salaam veranstaltetes Forum, das erste einer Reihe öffentlicher Treffen, warb um Unterstüt-zung für die Überarbeitung der Verfassung. In einem Vorlesungssaal versammelten sich Hunderte, unter ihnen Zivilrechtsaktivisten, Intellektuelle und Politiker zu einem Dialog. Die meisten Redner schienen der von Kikwete versprochenen Kommission gegenüber misstrauisch zu sein. Moderiert wurde die vierstündige Diskussion von Prof. Issa Shivji, ehedem Professor für Verfassungsrecht, zusammen mit Jenerali Ulimwengu, Journalist und Herausgeber. Die Legitimität einer Verfassung hänge nicht davon ab, wie gut oder schlecht ihre Artikel sind, sondern davon, wie stark das Volk beim Entwerfen beteiligt wird. Fachleute sollten die öffentlichen Meinungen sammeln und sie bei einer landesweiten Verfassungskonferenz vorlegen, sagte Shivji.

Die Veranstaltung wurde von Independent Television, einem privaten Sender, ausgestrahlt. Vermutlich haben mehrere Mio. Personen sie verfolgt. Die Diskussion wurde in Swahili geführt, was es den Hörern erleichterte, ihr zu folgen. (Citizen 15./17.1.11)