Aktuelles: Demokratie und Zivilgesellschaft - 09/2018

Aus Tansania Information
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CCM, Parteilinie

A. Kinana, CCM-Generalsekretär seit 2012, trat im Mai zurück. Er hatte das geschwundene Ansehen der Partei wiederhergestellt, indem er unermüdlich für Effizienz und Korruptionsbekämpfung im Öffentlichen Dienst eintrat und Flügelkämpfe in der Partei dämpfte. Kinana gilt als Gegner der Belohnungspraxis, zur CCM übergelaufene Amtsträger anderer Parteien bei Nachwahlen für ihre bisherigen Posten aufzustellen und ihnen damit den Posten quasi zu garantieren.

Das Exekutivkommittee der Partei berief den Politologen Dr. Bashiru Ally zum neuen Generalsekretär. Auch die Leitungspositionen der Jugend-, Frauen- und Elternflügel der CCM wurden neu besetzt. Ally war bisher entschieden für eine Revision der Verfassung eingetreten, da die derzeitige das frühere Einparteien-System und nicht die Wünsche des Volkes reflektiere. Dabei sei auch die Struktur der Union zwischen Festland und Sansibar zu überdenken. Nach seiner Ernennung schwenkte Dr. Ally auf den Kurs von Präsident und Parteichef Magufuli ein, der wiederholt erklärt hatte, die Verfassungsreform habe keine Priorität.

Eine Kommission unter Leitung von Ally hatte kürzlich festgestellt, dass eine Reihe von Unternehmen der Partei dauerhaft Verlust machten und weitere Besitztümer unauffindbar verschwunden seien. Ally beklagte, dass die Partei damit von wohlhabenden Spendern abhängig sei und kündigte Reformen an. Damit will er die junge Generation, die städtische Bevölkerung und die Gebildeten für seine Partei gewinnen.

Präsident Magufuli sagte bei der Grundsteinlegung für ein von China gestiftetes CCM-Trainingszentrum in Kibaha, seine Partei werde für „immer und ewig an der Macht bleiben“, sie sei alternativlos. Magufuli zeigte sich verärgert über 17 CCM-Abgeordnete aus Mtwara und Lindi, die dagegen gestimmt hatten, dass die Cashewnuss-Abgabe überwiegend in den allgemeinen Haushalt fließt und nicht voll zur Anbau-Förderung verwendet wird.

Bei einer Konferenz von 36 afrikanischen politischen Parteien mit Vertretern der Kommunistischen Partei Chinas in Dar-Es-Salaam wurden als Grundvoraussetzungen für wirtschaftliche Entwicklung genannt:

  • Die Entwicklungsversprechungen einhalten
  • Feste Beziehungen zu einem verlässlichen Partner (wie z.B. China)
  • Soziale Gerechtigkeit, gute Staatsführung und Meinungs- und Redefreiheit

Der neue CCM-Generalsekretär Dr. Ally meinte, die staatstragenden Parteien müssten sich als Instrumente der Entwicklung verstehen, nicht als Plattformen, um Macht anzuhäufen [sic!].

Citizen 29.,31.05.; 03.06.; 03.,19.07.18; East African 04.06.; 17.07.18; Guardian 30.05.18

Parteiwechsel

Dr. Magufuli lud, Mt. 11,28 zitierend, „alle Mühseligen und Beladenen“ aus der Opposition ein, wieder zur CCM zurückzukehren und dort Ruhe zu finden. Einige hätten der CCM wegen schmutziger politischer Spiele den Rücken gekehrt, nur um in anderen Parteien noch Schlimmeres anzutreffen.

Etwa 70 Führungskräfte aus den Oppositionsparteien (davon etwa 50 aus der Chadema), darunter fünf Parlamentsmitglieder, baten seit 2015 um Aufnahme in die regierende Revolutionspartei CCM. Die dadurch fälligen Nachwahlen verursachen hohe Kosten und führen zu Wahlverdrossenheit, wie die relativ geringe Beteiligung zeigt. Die Parteiwechsler wurden meist mit lukrativen Posten oder Kandidaturen belohnt [s.o. CCM]. Drei prominente Wechsler erhielten kürzlich leitende Verwaltungsposten als Distriktskommissare o.ä.

Als Gründe nennen die Abtrünnigen Bewunderung für Dr. Magufuli, bzw. Ärger über Querelen in ihrer bisherigen Partei. Viele argwöhnen, dass Hochburgen der Opposition bei Entwicklungsinvestitionen benachteiligt werden. Dies hatte der Vorsitzende des CCM-Jugendflügels unumwunden eingeräumt. Eine Studie von 2011 über Finanz-Zuweisungen an 114 Distrikte scheint das zu bestätigen. Wahlkreise wie Arusha, Ilala, Kinondoni, Bukoba, Moshi und Mwanza sahen ihre Zuweisungen nach der Wahl 2000, anders als benachbarte Orte, reduziert.

Umgekehrt wechselte der CCM-Abgeordnete für Singida-Nord zur Chadema, weil er eine Verfassungsrevision für unabdingbar hält. Citizen 01.,02.,08.,12.,14.,15.08.18.; DN 14.07.; 15.08.18; Mwananchi 30.07.18

Opposition, Parteien

Eine Chadema-Abgeordnete, eine Journalistin und weitere Unterstützer wurden verhaftet, weil sie im Tarime-Distrikt im Vorfeld einer lokalen Nachwahl eine „ungesetzliche Versammlung“ veranstaltet hatten. Die Wahlkommission hatte der Chadema öffentliche Versammlungen vorübergehend verboten. Elf Chadema-Abgeordnete und Funktionäre sind zur Zeit in Prozesse wegen unerlaubter Versammlung, Aufruhr, Verhetzung oder Erregung von Unzufriedenheit verwickelt.

Die oppositionellen Parteien ACT-Wazalendo und Chadema vereinbarten enge Zusammenarbeit in konzeptionellen Fragen und gemeinsame Kandidaten bei Nachwahlen.

Ein Chadema-Sprecher erklärte, die eingeschränkte Meinungs- Versammlungs- und Demonstrationsfreiheit sei gefährlich, weil sie das politische Interesse der Bevölkerung lähme und konstruktive Kritik behindere. Daher finde nicht nur der Präsident, sondern auch die Opposition immer weniger Zustimmung. Der renommierte Journalist J. Ulimwengu erinnerte daran, dass der Mensch nicht nur Brot brauche, sondern auch geistige Freiheit und Perspektive.

Citizen 20.07.18; DN 24.08.18; Guardian 10.08.18; Mwananchi 08.07.18; Mtanzania 08.07.18

Umstrittene Nachwahlen

Die ACT-Wazalendo kritisierte, dass die Opposition bei Nachwahlen für das Parlament und lokale Gremien massiv behindert worden sei. In Arusha gab es Verletzte bei Schlägereien zwischen Anhängern von CCM und Chadema. Die US-Botschaft stellte fest, die Nachwahlen seien beeinträchtigt worden durch die Wahlkommission, die Oppositionskandidaten nicht registriert bzw. disqualifiziert hatte, ferner durch Einschüchterung von Seiten der Polizei, illegale Verhaftungen und unterdrückte Versammlungsfreiheit. Dies gefährde Frieden, Stabilität und Sicherheit im Land.

Die CCM-Kandidaten gewannen alle Sitze. Ein Chadema-Sprecher forderte die Wähler/innen dazu auf, illegitim eingesetzte Volksvertreter gesellschaftlich zu ächten, anstatt sich nur über Manipulationen zu beklagen.

Citizen 12.,13.,15.08.18; Guardian 16.08.18; Mwananchi 14.08.18

Grundrechte

Das Berufungsgericht (High Court) hob das Verbot der regierungskritischen Wochenzeitung „Mwanahalisi“ auf. Es sei gesetzeswidrig. Die damalige Vizeministerin für Information hatte das Publikationsverbot für zwei Jahre wegen „Aufhetzung und Gefährdung der nationalen Sicherheit“ erlassen. Der Verlag HaliHalisi will sie auf Ersatz der Gerichtskosten von TZS 2,2 Mrd. verklagen.

Der „Afrikanische Gerichtshof für Menschen- und Völkerrechte“ (AfCHPR) und die UNESCO vereinbarten, zusammenzuarbeiten, um Informationsfreiheit, Sicherheit von Journalisten, Rechtsstaatlichkeit und Schutz der Menschenrechte in Afrika zu stärken. Dies soll das UN-Entwicklungsziel 16 „Frieden, Gerechtigkeit und starke Institutionen“ fördern.

Das Innenministerium gab einen strategischen Plan zur Bekämpfung des Menschenhandels bekannt. Kinder und Jugendliche würden unter falschen Versprechungen ins Ausland gelockt und dort ausgebeutet oder gar missbraucht. Die Passbehörde soll gegen zu diesem Zweck gefälschte Pässe vorgehen und die Eltern aufklären.

Der US-Senator B. Menendez zeigte sich „sehr besorgt über die Abwärtsspirale von Demokratie und bürgerlichen Freiheiten in Tansania“. Die USA sollten die vakante Botschafterstelle in TZ schnell besetzen und die demokratischen Kräfte fördern.

Das von der Kommunikationsbehörde stillgelegte Meinungsforum „Jamii Forums“ ist wieder aktiv: www.jamiiforums.com.

Das Menschenrechtszentrum LHRC und die Juristenkammer (TLS) verurteilten den Machtmissbrauch einzelner Regions- und Distriktskommissare, die missliebige Personen jeweils für 48 Stunden festsetzen ließen. So seien in Manyara und Hai Anwälte festgenommen und an der Ausübung ihrer Aufgaben gehindert worden. In Mbeya seien pauschal alle Bewohner eines Dorfes verhaftet worden, nachdem eine Wasserleitung zerstört worden war.

Die beiden NROs sowie weitere Organisationen und Personen verurteilten es, dass die Einwanderungsbehörde den Pass des Direktors von „Twaweza“ (A. Eyakuze) für eine „Routine-Überprüfung“ eingezogen hat. Twaweza hatte eine Umfrage veröffentlicht, derzufolge die Zustimmungsrate für Präsident Magufuli von 96% (2016) auf 55% in 2018 gefallen war. Eyakuze erklärte, Twaweza werde sich nicht einschüchtern lassenn und seinen Dialog mit Bürgern und Regierung weiterführen. [www.twaweza.org , dort als pdf-download: „Captains of Their Own Ship?“ und „Speaking Truth to Power“].

Der Direktor der Menschenrechtskoalition THRDC, O. Ngurumwa war ebenfalls mehrfach von der Immigrationsbehörde vorgeladen worden, nachdem THRDC Rechtsverletzungen im Loliondo-Distrikt angeprangert hatte. Der Bischof der katholischen Rulenge-Ngara-Diözese wurde in einen Prozess zu seiner Staatsbürgerschaft verwickelt. Er hatte Dr. Magufuli aufgefordert, eine Verfassungsreform einzuleiten. - Die THRDC forderte das Parlament auf, die UN-Konvention gegen Folter von 1984 zu ratifizieren.

Das Menschenrechtszentrum und das Tansanische Herausgeberforum (TEF) verurteilten scharf, dass zwei Polizisten einen Radioreporter brutal geschlagen haben, der bereits widerstandslos verhaftet war. Die Szene wurde gefilmt und in sozialen Netzwerken verbreitet. Es sei gegen jede Rechtsstaatlichkeit, dass derartige Übergriffe der Sicherheitsorgane bisher straflos geblieben seien.

LHRC und THRDC verwahrten sich gegen die Forderung des Präsidenten, dass Gefängnisinsassen „Tag und Nacht arbeiten“ und mit Tritten motiviert werden sollten, wenn sie faul sind. - Das seit 1995 arbeitende LHRC hat eine neue Direktorin: Anna Henga löst Dr. Helen Kijo-Bisimba ab.

Die Regierung will die Gesetzgebung zu NROs überarbeiten und leitete der NRO-Dachorganisation einen Entwurf zur Stellungnahme zu. Präsident Magufuli beauftragte den Innenminister, die 17.000 im Land tätigen NROs genau zu überprüfen, da sich manche gesetzwidrig betätigten. Manche NROs dienten einfach der persönlichen Bereicherung.

Die Vorsitzende der Juristenkammer TLS F. Karume sieht die Unabhängigkeit der Rechtspflege durch von der Regierung beabsichtigte Satzungsänderungen gefährdet. Der Generalstaatsanwalt wolle sich zusätzliche Machtbefugnisse sichern und die demokratische Steuerung der Juristen-Gesellschaft aushöhlen.

Familien in Mbeya, Dar-Es-Salaam und Mpwapwa weigerten sich, Angehörige aus Krankenhäusern abzuholen und zu bestatten, die in Polizeigewahrsam unter zweifelhaften Umständen umgekommen waren. Sie verlangen, dass die Todesursachen gerichtlich geklärt werden.

Citizen 30.05.; 04.,11.,16.,22.,23.07.; 03.,04.,19.08.18; DN 13.07.; 01.,21.08.18; East African 13.,17.07.18; Guardian 12.,31.07.; 04.,13.08.18; Mwanahalisi 03.08.18; Mwananchi 29.06.; 01.,19.08.18; www.humanrights.or.tz 18.08.18; www.twaweza.org