Aktuelles: Ein Jahr Magufuli (S. auch TI Nov. 2016, S. 2) - 12/2016

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Umfrage - Analyse

Die regierungskritische Zeitung „Citizen“ befragte die Bürger, wie zufrieden sie mit Präsident Magufulis („JPM“) Regierung und der Verwirklichung seiner Wahlversprechen sind. Sehr zufrieden äußerten sich 9,7%, zufrieden 31,4%, sehr unzufrieden 7,8%, unzufrieden 22,2%; 28,9% legten sich nicht fest. Frauen zeigten sich etwas zufriedener als Männer, Städter mehr als Landbewohner. Überraschend wiesen die nördlichen Regionen die höchste Zustimmungsrate auf, obwohl sie als Hochburgen der Opposition gelten. Die geringste Akzeptanz fand sich in der Seen-Region. Landesweit würden heute 55% Magufuli, 27% seinen Rivalen Lowassa wählen.

Die höchste Zustimmung fand JPMs Versuch, dem Öffentlichen Dienst mehr Disziplin und Arbeitsmoral aufzuzwingen (85%). Am wenigsten akzeptiert wird das Verbot der Direktübertragungen aus dem Parlament. 64% der Städter und 55% der Landbevölkerung sind dagegen. Als Aufgaben, die die Regierung prioritär anpacken sollte wurden genannt: Arbeitsbeschaffung, Bildung, Lebenshaltungskosten, Gesundheitswesen und Landwirtschaft.

Z. Kabwe von der oppositionellen ACT-Wazalendo würdigte Magufulis Leistungen im Bereich der „sekundären“ (sozialen, wirtschaftlichen und kulturellen) Rechte, monierte aber, dass sie auf Kosten „primärer Rechte“ wie Meinungs- und Versammlungsfreiheit gingen. „Wer sich über Kritik erhaben fühlt, beginnt, sich für einen Halbgott zu halten“. Kabwe kritisiert die Tendenz zu willkürlichen Entscheidungen auch subalterner Beamter. So führte ein Distriktschef eine neue Steuer ein, was ausschließlich dem Parlament vorbehalten ist. Kabwe resumiert: „Ein Jahr Ausprobieren und Schocktherapie reicht, nun braucht das Land einen visionären Führer, der systematische und nachhaltige Erneuerung anstrebt.“

Altpräsident H. Mwinyi (1985-95) pries JPMs Antikorruptionskampf als einen wahren Tsunami, der in einem Jahr mehr erreicht habe als alle Präsidenten vor ihm.

Citizen 04.,06.,13.11.16; Guardian 24.11.16

Erfolge

Die meisten Kommentatoren sind sich einig darin, dass Dr. Magufuli in einer für unmöglich gehaltenen Weise Korruption, Machtmissbrauch der Verwaltung und Verschwendung staatlicher Gelder reduziert und damit seinen Wahlslogan „Hapa kazi tu“ (hier zählt nur Arbeit) realisiert hat. „Nach nur 12 Monaten leben wir in einem weitgehend umgekrempelten Land“, staunte der Vorsitzende des Runden Tischs der Firmenchefs. Besonders erfolgreich verlief die Kampagne, die jedem Schulkind eine Schulbank sichert und die weitgehend kostenfreie Schulbildung bis zur Mittleren Reife.

Unglaublich nach bisherigen Maßstäben ist vor allem, dass es keine Unantastbaren mehr gibt. Auch dem Präsidenten Nahestehende werden nicht geschont, wenn sie ertappt werden. Unerwartet ist ebenfalls, dass JPM auch nach einem Jahr mit dem selben Schwung wie zu Beginn seiner Amtszeit vorgeht. Dies unterscheidet ihn von anderen afrikanischen Staatsführern, deren anfänglicher Elan von den etablierten Eliten schnell ausgebremst wurde.

JPM erreichte verdoppelte Steuereinnahmen, bessere Chancen für kleine Unternehmen (die früher beim Bestechungs-Wettbewerb nicht mithalten konnten) und effizientere Dienstleistungen, z.B. im Bildungssektor, im Gesundheitswesen und beim Wildschutz. Das exzessive Wildern im Selous-Schutzgebiet ging zurück, nachdem JPM Militär einsetzte und ankündigte, auch die Hintermänner des Trophäenhandels zu verfolgen.

Auch der Vorsitzende der „Stiftung für Privatwirtschaft“ und Inhaber eines Medienkonzerns, R. Mengi, unterstützt Dr. Magufulis Kurs. Es sei nicht unternehmensfeindlich, auf korrekter Steuerzahlung zu bestehen. Konsequente Korruptionsbekämpfung werde der Privatwirtschaft Vorteile bringen. Organisationen der Geschäftswelt sagten, das Investitionsklima habe sich verbessert, seit Magufuli die Korruption in Behörden bekämpfe und die Infrastruktur konsolidiere.

Angesichts der fiskalischen Disziplin der Magufuli-Administration gab der Internationale Währungsfonds grünes Licht für weitere weiche und harte Staatsanleihen.

Citizen 04.,05.,16.11.16; Guardian 14.,21.11.16

Herausforderungen - Defizite

Magufulis Austeritätspolitik und sein Kampf gegen Betrug und Korruption ließen den Geldumlauf stark zurückgehen. Das spüren Hotels, Bars und Gaststätten, Privatschulen, viele Kleinunternehmer, vor allem aber die Banken, die bedeutende Kreditausfälle beklagen. Die staatseigene Twigabank musste unter Zwangsverwaltung gestellt werden. CRDB, die größte Bank, meldete nach jahrelangen Gewinnen erstmals einen Vierteljahres-Verlust [s.u. Wirtschaft]. Die Liquiditätsenge vermittelt auch den Durchschnittsbürgern den Eindruck, dass sich wenig verbessert hat. JPM erklärte den verlangsamten Geldumlauf damit, dass weniger gestohlenes und veruntreutes Geld zirkuliert.

Aufmerksam wurde die Meldung der Großbrauerei TBL registriert, dass ihr Halbjahresgewinn um 13% geschrumpft sei. Die Kunden schränkten ihren Konsum ein und gingen auf billigere Alkoholika über. TBL ist der wichtigste Steuerzahler; 2015 führte sie mit TZS 476 Mrd. mehr Steuern ab als die sechs großen Goldminen zusammen.

Wirtschaftsfachleute befürchten Turbulenzen, wenn alle Telekommunikationsfirmen bis Jahresende mindestens 25% ihrer Anteile über die DSM-Börse (DSE) verkaufen müssen. Da nur Tansanier/innen diese Aktien erwerben dürfen, könnten die Kurse stark einbrechen. Der Wert der betroffenen Übernehmen übersteigt den Jahresumsatz der DSE bei weitem. Auch die in TZ tätigen Bergbau-Unternehmen müssen innerhalb von zwei Jahren mindestens 30% ihrer Anteile über die DSE verkaufen. Fachleute begrüßten den Schritt tendenziell, halten aber die hastige Durchführung für gefährlich.

Wirtschaftswissenschaftler kritisieren, dass die Industrialisierungspläne der Magufuli-Regierung unpräzise seien und wesentliche Faktoren wie Landwirtschaft und Viehzucht nicht einbezögen. Es sei nicht erkennbar, wie Kleinunternehmen gefördert werden sollen. Die Elektrifizierung des Landes sei stark zurückgeworfen worden, nachdem die USA wegen der manipulierten Sansibar-Wahl eine Finanzierungszusage von $ 450 Mill. zurückzogen. Bis 2020 soll der Industrieanteil am Bruttoinlandsprodukt von derzeit 7,3 auf 15 % steigen.

Mehrere Menschenrechtsorganisationen mahnten den Staatspräsidenten, den abgebrochenen Verfassungsprozess wieder aufzunehmen, und zwar in einer wirklich demokratischen Form. Nur gestützt auf eine gute Verfassung könne JPMs Bemühen um Rechtsstaatlichkeit und wirtschaftlichen Fortschritt anhaltenden Erfolg haben.

Der Citizen meint, Magufulis Kampagne gegen Gewaltverbrechen sei bisher nicht sehr erfolgreich. Bei 10 Überfällen auf Banken, Geschäfte und Polizeiposten starben mehr als 40 Menschen. Busse in den Grenzregionen müssen nach wie vor von Polizeifahrzeugen begleitet werden.

Der angesehene frühere Generalbuchprüfer (jetzt Leiter des Wajibu-Instituts für Verantwortlichkeit), Utouh, würdigte Dr. Magufulis Bemühen um Korrektheit im Öffentlichen Dienst, erinnerte aber auch daran, dass mehrere Groß-Skandale vergangener Regierungen noch der Aufarbeitung harren.

Premier Majaliwa ermahnte die leitenden Mitarbeiter, bei disziplinarischen Maßnahmen Willkür zu meiden und die Bestimmungen für den Öffentlichen Dienst streng einzuhalten. Die Beamten müssten nicht eingeschüchtert, sondern für aktive Mitarbeit gewonnen werden. Der Gewerkschaftsverband TUCTA hatte Vorwürfe wegen Demütigungen von Regierungsangestellten auf verschiedenen Ebenen erhoben.

Citizen 04.,05.,16.,24.11.16; Guardian 23.,24.,25.11.16

Der Präsident und die Frauen

Frauenorganisationen beurteilen Dr. Magufulis Einstellung zu Frauen unterschiedlich. Einerseits hielten Frauen in seinem Kabinett mit sechs Ministerinnen und fünf Stellvertreterinnen 31% der Posten und damit mehr als in früheren Regierungen; auch die Vizepräsidentin sei eine Frau. Ziel sei jedoch die auch von JPM im Wahlkampf propagierte 50/50-Besetzung aller politischen Gremien.

Die Präsidentin des Gender Networking Programme, Dr. V. Shule, meinte: „wir sind wieder da, wo wir vor 20 Jahren waren“. Magufuli besetze wichtige Positionen mit Ingenieuren, Militärs und Promovierten, was Männer bevorteile. Gar nicht gut kam JPMs nonchalante Aufforderung an: „Macht so viele Kinder wie ihr wollt, die Schulbildung ist jetzt umsonst“. Diese fahrlässige Ausdrucksweise habe das Bemühen um Familienplanung zurückgeworfen, da Äußerungen des Präsidenten oft wörtlich genommen würden.

Auch Magufulis Bemerkung, er esse nur, was seine Frau ihm zubereitet habe, gefällt vielen Frauen nicht. Sie fragen, ob sich die Präsidentengattin freiwillig auf ihre Haushaltspflichten beschränkt. Die Gattinnen früherer Präsidenten hätten sich in wichtigen sozialen Werken national und international engagiert (AIDS, Malaria, Frauenförderung).

Citizen 05.12.16

Selbsteinschätzung

Der Präsident empfing erstmals Journalisten in seinem Amtssitz. In dem im Fernsehen direkt übertragenen Gespräch bezeichnete Magufuli seine Arbeit als Knochenjob. Er halte es nicht für vordringlich, die Verfassung zu aktualisieren. Seine Hauptaufgabe sei es, das Land auf den richtigen Kurs zu bringen. Demokratie habe ihre Grenzen. Er wolle nicht undemokratisch regieren, sondern Demokratie fördern, habe aber kein Verständnis für ständiges „Politisieren“. Vielmehr müsse man sich klar auf den nationalen Aufbau konzentrieren. Die Tansanier sollten produktiv arbeiten statt zu politisieren oder nach windigen Geschäften Ausschau zu halten. Er selbst habe als Präsident bisher 47 Einladungen zu Auslandsreisen erhalten, habe aber nur die Nachbarstaaten Kenya, Ruanda und Uganda besucht und damit Milliarden von Shillings eingespart.

Charakteristisch Magufulis Kommentar zu seiner Absicht, das umstrittene Mediengesetz zu unterzeichnen: „Besser, wir entscheiden falsch als gar nicht“. Die zweifelhafte Wahlwiederholung auf Sansibar erklärte JPM für fair und korrekt. Er sei beeindruckt davon, wie stabil die politische Situation auf den Inseln sei.

Die ersten neuen Industriebetriebe seien im Entstehen, z.B. eine Kachelfabrik im Mkuranga-Distrikt und Verarbeitungsbetriebe für Hülsenfrüchte in Bagamoyo. Demnächst entstünde ein Montagebetrieb für polnische Traktoren und eine Kunstdünger-Fabrik deutscher Investoren in Lindi.

Citizen 05.11.16; DN 05.11.16; Guardian 05.11.16