Aktuelles: Wahlen - 12/2015

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Sitzverteilung im Parlament

Die 11. Nationalversammlung umfasst 393 Mitglieder, davon 264 gewählte Abgeordnete, 113 durch die Wahlkommission NEC berufene Frauen (special seats women members), fünf Delegierte des sansibarischen Repräsentantenhauses und 10 vom Präsidenten Ernannte. In fünf Wahlkreisen müssen Nachwahlen stattfinden. Die regierende CCM („Revolutionspartei“) erhielt 252 Sitze. Die Opposition verfügt über 132 Sitze (2010: 80) und erreicht damit nicht ein Drittel der Stimmen, das Verfassungsänderungen blockieren oder beeinflussen könnte. Auch den Parlamentspräsidenten Job Ndugai und seine Stellvertreterin Tulia A. Mwansasu wählten die CCM-Abgeordneten aus den eigenen Reihen. Der relative Erfolg der Opposition ist vor allem dem Umstand zu verdanken, dass die vier in der Ukawa zusammengeschlossenen Parteien in fast allen Wahlkreisen einen gemeinsamen Kandidaten / Kandidatin aufgestellt hatten. Wo das nicht gelang, ging der Wahlkreis meist an die CCM.

Der Frauenanteil im Parlament stieg mit den zusätzlich Berufenen auf 40%. Die NEC vergibt die zusätzlichen Sitze für Frauen an die Parteien, die 5% der gültigen Stimmen erreichen, proportional zu ihrem Stimmenanteil. Die CCM erhielt 64, Chadema 36 und CUF 10 solche Ausgleichsmandate. Drei weitere Sitze werden nach den Nachwahlen zugeteilt. Bei der diesjährigen Wahl gelang es elf Frauen, die bisher special seats innehatten, sich in ihrem Wahlkreis durchzusetzen.

Zusammen mit dem neuen Präsidenten Dr. Magufuli gewann Samiah Hassan Suluhu aus Sansibar die Wahl als Vizepräsidentin. Sie ist die erste Frau auf diesem Posten in Tansania. Zum Premierminister ernannte der neue Präsident Kassim Majaliwa (54). Er wurde von 73,5% der Abgeordneten bestätigt. Majaliwa ist Lehrer von Beruf und arbeitete zuvor als Distriktschef, Abgeordneter und stellvertretender Minister im Büro des Premierministers.

Business Times 30.10.15; Citizen 07.,18.,19.20.11.15; DN 21.10.; 07.,18.,19.,20.11.15; Guardian 07.,08.11.15

Opposition

E. Lowassa, gemeinsamer Präsidentschafts-Anwärter des oppositionellen Bündnisses UKAWA, erreichte mit 39,97% das bisher beste Ergebnis eines Oppositionskandidaten, wurde aber von Dr. Magufuli, CCM, geschlagen (58,46%). Sechs weitere Anwärter auf das Amt des Staatspräsidenten blieben unter einem Prozent der Stimmen. Das Oppositionsbündnis verlor die Wahl, weil es den Wahlkampf auf die städtische Bevölkerung konzentrierte. Die Wahlen werden jedoch noch immer von der Mehrheit der ländlichen Armen entschieden. Oppositionsvertreter kritisierten, dass die NEC noch kurz vor der Wahl 26 neue Wahlkreise bestimmt hatte, die meist in ländlichen CCM-Hochburgen liegen. So konnte Ukawa nur sieben eher städtisch geprägte von den 26 neuen Wahlkreise gewinnen.

Citizen 04.11.15; Guardian 08.11.15

Wahlbeobachtung behindert

EU, USA, Kanada, die Schweiz und zahlreiche weitere westliche Nationen äußerten sich besorgt über die Verhaftung von 36 Mitarbeitenden des Menschenrechtszentrums in DSM und Beschlagnahme von Datenträgern. Die Regierung begründete die Maßnahmen mit illegaler Bekanntgabe von Wahlergebnissen nach dem umstrittenen Gesetz über Internetverbrechen. Das Zentrum besitzt jedoch eine Akkreditierung der Nationalen Wahlkommission NEC, Wahlinformationen zu beobachten und auszuwerten. Das Zentrum hatte mangelnde Transparenz in der Arbeit der NEC moniert. Die Menschenrechts-Koalition vermutet, dass der unverhältnismäßige Polizeieinsatz politisch motiviert war.

Der Landesdirektor der Friedrich-Ebert-Stiftung stellte den Bericht „African Media Barometer“ zur Medienfreiheit vor. Er forderte die tansanische Regierung auf, internationale Grundrechte in den Landesgesetzen zu berücksichtigen und umzusetzen. Die Medien hätten auch in jüngster Zeit offene und exzessive Gewalt durch Sicherheitsorgane erfahren. Zahlreiche Gesetze beschränkten die Meinungsfreiheit und schüchterten die Bürger ein. Journalistischer Quellenschutz sei nicht gewährleistet. Radiolizenzen würden nach parteipolitischen Interessen vergeben. Der gründliche Bericht ist erhältlich unter: http://www.fesmedia-africa.org/uploads/media/AMB_Tanzania_2015_01.pdf

Guardian 01.,02.,10.,20.11.15

Sansibar: Regionalwahl annuliert

Der Vorsitzende der Wahlkommission (ZEC) annullierte die Wahl des sansibarischen Präsidenten und Parlaments wegen angeblicher Manipulationen auf Pemba, Meinungsverschiedenheiten innerhalb der ZEC und, weil CUF-Präsidentschaftsbewerber Seif Shariff Hamad gesetzwidrig seinen Wahlsieg selbst verkündet habe. Die Wahl des Unionspräsidenten sei jedoch ordnungsgemäß verlaufen und daher gültig. Da in der ZEC (im Gegensatz zur NEC auf dem Festland) auch Sympathisanten der Opposition mitarbeiten, ist die Annullierung der Wahl nicht Beschluss der Kommission, sondern nur ihres Vorsitzenden.

CCM und CUF scheinen jeweils 27 Sitze im sansibarischen Repräsentantenhaus errungen zu haben. Interne und ausländische (AU, EU, EAC, UN und USA) Wahlbeobachter halten die Wahl für im Ganzen korrekt durchgeführt und forderten die ZEC auf, die Stimmenzählung in den 14 verbleibenden Wahlkreisen abzuschließen und das Ergebnis bekannt zu geben.

Hamad (CUF), bisher Erster Vizepräsident, erklärte sich zum gewählten Präsidenten und gab bekannt, er sei dabei sein Kabinett aus Ministern beider Parteien zu bilden, wie es die Verfassung vorsehe. Ukawa-Vertreter halten die Annullierung der regionalen Wahl für den durchsichtigen Versuch, die drohende CCM-Niederlage zu vermeiden. Sie unterbrachen die Eröffnung des nationalen Parlaments mit lauten Rufen nach S. Hamad, weil der ordentlich gewählte Präsident Sansibars nicht, wie vorgeschrieben, anwesend sei und wurden des Raumes verwiesen. UN-Vertreter versuchten, mit den beiden Parteien eine Lösung auszuhandeln.

Die US-Regierung informierte Tansania, dass die zugesagten $ 472 Mill. für die Elektrizitätsversorgung davon abhängt, dass die Regionalwahl auf Sansibar demokratisch gehandhabt wird.

Citizen 28.10.; 09.,16.,19.,21.,27.11.15; DN 21.11.15; Guardian 29.10.; 02.11.15

Politische Historie der Inseln

Bereits 1995 und 2000 fühlte sich die CUF (Civic United Front) bei jeweils knappem Wahlergebnis um ihren Wahlsieg betrogen. Nach schweren Unruhen wurde 2007 per Verfassungsänderung eine Einheitsregierung gebildet.

Die Geschichte des postfeudalen Sansibar ist von Gewalt geprägt. Seit der blutigen Revolution vom Januar 1964 stehen sich auf Sansibar der „revolutionäre“ und der „nationalistisch-konservative“ Block feindlich gegenüber. Bei der ersten Wahl nach der Unabhängigkeit stürzte die Afro-Shirazi-Partei des späteren Präsidenten A. Karume nach drohender Wahlniederlage das Regime des seit 1963 von Großbritannien eingesetzten, konstitutionell regierenden Sultans von Sansibar und Oman. Dabei kamen mehrere Tausend Menschen ums Leben.

Seitdem besteht Hass und Misstrauen zwischen „Afrikanern“ (heute CCM) und „Arabern“ (heute CUF). Beide Gruppen betrachten ausschließlich sich selbst als „echte“ Sansibaris. Sie unterscheiden sich jedoch kaum ethnisch, sondern hauptsächlich sozial, politisch und kulturell. Ironischerweise lebte die Familie des gestürzten Sultans seit dem 14. Jahrhundert auf Sansibar, während Karumes Mutter im 20. Jahrhundert aus Nyassaland eingewandert ist.

Karume regierte die Inseln mit eiserner Hand, unterdrückte jede Opposition und ließ die Geschichtsbücher im Sinn des Mythos vom unterdrückten Afrikaner umschreiben. Er hielt Wahlen für kolonialistisch („auf Sansibar wird es frühestens in 50 Jahren Wahlen geben“) und Intellektuelle für die schlimmsten Feinde der Nation. Viele Gebildete gingen ins Exil, andere verschwanden spurlos.

Im April 1972 wurde Karume beim 12. Putschversuch in den acht Jahren seines Regimes getötet. Sein Nachfolger A.J. Mwinyi regierte flexibler und förderte Bildung und Schulsystem. Damals wurde der heutige CUF-Generalsekretär S. Hamad Bildungsminister, später Premier. Er profilierte sich als liberal und progressiv gegenüber den konservativen Elementen in der Sansibar-CCM.

Mit Beginn des Mehrparteiensystems gründete Hamad mit Anderen die Civic United Front (CUF). Sie wird heute nach eigenem Verständnis in erster Linie von ärmeren Sansibaris und den Landbewohnern auf Pemba getragen. Konservativen CCM-Führern gilt sie jedoch als „kolonial“ und als Verräterin an den Idealen der sansibarischen Revolution, die Sansibar aus der tansanischen Union herausbrechen und den „Arabern“ ausliefern will.

Daher fühlen sich einige CCM-Scharfmacher auch zu undemokratischen Maßnahmen berechtigt. Die Abgeordnete A. Bakari meinte: „Eine revolutionäre Regierung wird niemals durch Wahlscheine abgesetzt . . . CUF ist in einem Traum befangen, wenn sie meint, wir würden ihnen die Regierung überlassen, die wir mit Macheten und Keulen gewonnen haben.“ Ein weiterer Abgeordneter wurde noch deutlicher: „Wir werden der Opposition die Regierung nicht überlassen, auch wenn sie haushoch gewinnt. Wir haben Panzer und Raketen, um uns mit ihnen zu befassen“. Beobachter meinen, dass nur die (nicht sehr stabile) Union mit Festland-Tansania einen offenen Bürgerkrieg auf Sansibar verhindert. Daher sollte eine Macht-Balance zwischen den Parteien gefunden werden, die ausschließt, dass eine Gruppe dominiert und die Andere entrechtet.

East African 30.10.15; Guardian 08.11.15;

Lesenswerte Analysen der Wahlen in TZ bieten die Konrad-Adenauer-Stiftung (www.kas.de/tansania) und die Rosa-Luxemburg-Stiftung (www.rosalux.de/publikationen)