Justizwesen, Polizei ‐ 10/2022

Aus Tansania Information
Version vom 6. November 2022, 12:12 Uhr von imported>Sysop (Die Seite wurde neu angelegt: „__FORCETOC__ ===Justizreform, Geschlechterparität=== Präsidentin Samia kündigte an, vermehrt Richterinnen berufen zu wollen. Derzeit sitzen in den beiden h…“)
(Unterschied) ← Nächstältere Version | Aktuelle Version (Unterschied) | Nächstjüngere Version → (Unterschied)
Zur Navigation springen Zur Suche springen

Justizreform, Geschlechterparität

Präsidentin Samia kündigte an, vermehrt Richterinnen berufen zu wollen. Derzeit sitzen in den beiden höchsten Gerichten 50 männliche und 37 weibliche Richter. Sie strebe eine Geschlechterparität an, da Richterinnen ihren Dienst mit mehr Integrität und Patriotismus ausführen. Bisher seien keine Juristinnen in Justizskandale verwickelt gewesen. Samia hat in den 17 Monaten ihrer Amtszeit 52 Ernennungen vorgenommen, von denen 23 Richterinnen am Obersten Gericht und dem übergeordneten Appellationsgericht sind.

Anlässlich der Vereidigung der neuen Richterinnen und Richter forderte sie auch den neuen Leiter der Strafvollzugsbehörden Ramadhani Nyamka auf, schnell nötige Reformen in seinem Bereich anzugehen. Er müsse sicherstellen, dass die Rechte der Gefangenen respektiert werden. Diese hätten verfassungsmäßige Rechte und einige von ihnen seien auch irrtümlich im Gefängnis gelandet. Gefängnisse seien dazu da, Straftäter zu resozialisieren, und nicht einfach nur für „körperliche Bestrafung“ gedacht. Die Wärter müssten angeleitet werden, die Menschenrechte zu achten und den Insassen Respekt entgegenzubringen.

Zur gleichen Zeit vermeldet die Nachrichtenagentur der Seychellen, dass der tansanische Botschafter dem benachbarten Inselstaat auch weiterhin die Hilfe Tansanias bei der Entwicklung seines Gefängnissystems zugesagt hat. Laut Bericht sind derzeit 13 tansanische Beamte für die Entwicklung des seychellischen Strafvollzugs abgeordnet.

Guardian 30.08.2022, seychellesnewsagency.com 06.09.2022

Missstände bei der Polizei

Präsidentin Samia forderte eine umfassende Reform der tansanischen Polizei. Bei einer Ansprache anlässlich einer Fortbildung für höhere Polizeiführer sagte die Präsidentin, sie freue sich darüber, dass sich in der Polizei bereits einiges bewegt hat. Das sei aber noch nicht ausreichend. Die Präsidentin sprach an, dass die Disziplin bei der Polizei im Finanzbereich “bei 0” liege. Es gebe keinerlei Abrechnungen über die Einnahmen aus den Strafmandaten für Verkehrsteilnehmer oder aus den Gebühren für Bewachung von Geldtransporten und Banken; alle Polizisten haben Gehaltsabzüge für einen Unterstützungsfonds in Trauerfällen oder Notlagen, aber über diese Mittel gebe es auch keine Abrechnung. Wenn der staatliche Rechnungshof diese Umstände bemängelte, habe die bisherige Leitung nie darauf reagiert. Ihr lägen auch Berichte einschließlich der betreffenden Kfz-Kennzeichen vor, wonach Privatwagen und kommerzielle Transportfahrzeuge im Besitz von Polizeioffizieren auf Staatskosten mit Treibstoff betankt werden. Sie wies den neuen Polizeikommandanten Camillus Wambura an, fortan für Einhaltung der Abrechnungsregeln zu sorgen.

Bei der gleichen Gelegenheit forderte sie von der Anklagebehörde, die Praxis der Verhaftungen ohne klare Beweislage einzustellen. Erst kürzlich mussten Verfahren gegen 1,840 Beschuldigte eingestellt werden. Durch ihre Verhaftung seien sinnlos Staatsgelder vergeudet worden.

Nach der Rede Samias wurden ihre Bemerkungen von einer Reihe von Juristen öffentlich unterstützt, die die Notwendigkeit einer Polizeireform und strafrechtlicher Maßnahmen gegen korrupte Polizisten unterstrichen. Anna Henga, die Direktorin des Menschenrechtszentrums LHRC, wies auf die Notwendigkeit der Überarbeitung von Gesetzen hin, die der Polizei zu großen Spielraum bei Verhaftungen und Eröffnung von Strafverfahren lassen.

Citizen 31.08. + 01.09.2022, Guardian 01.09.2022

Jugendbanden in den Großstädten

In Dar es Salaam kam es im September zu mehreren Überfällen bewaffneter Jugendbanden, die unter dem Namen “Panya Road” bekannt sind. Bereits 2021 und Anfang dieses Jahres hatten sie mehrere Überfälle durchgeführt, die stets nach dem gleichen Muster ablaufen. Eine größere Menge von Jugendlichen und jungen Männern im Alter von etwa 12 bis 20 Jahren trifft in einer Seitenstraße in einem der Außenbezirke Dar es Salaams ein, bewaffnet mit Buschmessern, Stangen und anderem Schlagwerkzeug. Sie riegeln die Straße ab und brechen nacheinander die Türen auf und rauben vor allem Geld, Mobiltelefone und Fernsehgeräte. Dabei wird immer wieder auf Bewohner eingeschlagen, wodurch sie eine größere Zahl von Verletzten und hin und wieder auch Toten zurücklassen.

Nachdem die Polizei mehrere Razzien und Verhaftungen vorgenommen hatte, war eine Weile lang Ruhe. Offenkundig hatte die Polizei ihre Netze sehr weit gespannt, denn einige der Verhafteten wurden vor Gericht später freigesprochen.

Im September fingen die Überfälle wieder an, wobei auch eine 24-jährige Journalistikstudentin getötet wurde. Nachdem die Sicherheitslage nunmehr im Parlament diskutiert wurde, kündigte der Dar es Salaamer Regionalkommissar Makalla verschärfte Maßnahmen an. Laut Makalla sind Eltern mitschuldig, die nicht ihre Pflichten gegenüber ihren Kindern wahrnehmen. Er erklärte, er habe zusätzlich 300 Polizisten in Dar es Salaam eingesetzt. Wenn Eltern abends ihre Kinder vermissten, sollten sie auf den Polizeistationen oder in den großen Krankenhäusern nachsehen. Ein Kommentar im “Citizen” nannte dies eine gefährlich Drohung, die angesichts der bekannten Gewaltprobleme in der Polizei zu willkürlichen Hinrichtungen führen könne.

Am 18. September wurden dann 6 Jugendliche von der Polizei erschossen. Die Beamten hatten auf einen Hinweis aus der Bevölkerung hin ein Fahrzeug angehalten, in dem 9 Personen zu einem Überfall unterwegs gewesen seien. Sie seien dann mit Buschmessern in der Hand auf die Beamten losgegangen, die daraufhin geschossen hätten. 3 konnten flüchten und wurden später festgenommen.

Am nächsten Tag gab Makalla bekannt, dass in den vergangenen Tagen 135 junge Leute im Alter zwischen 13 und 30 Jahren verhaftet wurden. Es sei auch Diebesgut sichergestellt worden.

Auf mehreren Foren im Internet wurde ausgiebig über die neue Welle der Gewalt durch die Jugendbanden diskutiert. Ein Nutzer berichtete, dass ein jugendlicher Straßenräuber am Vortag von Passanten gelyncht wurde. Das Spektrum der Meinungen reicht vom Ruf nach Verbesserung der schulischen Bildung, Wiederherstellung von Moral und Sitte, Arbeitsplatzbeschaffung bis hin zum Aufruf, die Panya-Road-Jugendlichen umzubringen, weil sie längst zu Tieren geworden seien.

Die jüngste Polizeiaktion in Verbindung mit der Äußerung des Regionalkommissars Makalla deutet darauf hin, dass letztere Lösung im örtlichen Sicherheitsapparat Sympathien hat. Ein Internetnutzer meinte, dass die Polizei einen Krieg ausgerufen habe, und im Kriege auch Unschuldige zu Schaden kommen werden.

Citizen 19-09-2022, Guardian 16.+17.+18+19..09.2022, Jamiiforums September 2022, Mwananchi 15.+18.09.2022