Innenpolitik ‐ 11/2022

Aus Tansania Information
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Wasser- und Stromabschaltungen

Tansania macht die anhaltende Trockenheit zu schaffen. In Dar es Salaam, der größten Stadt des Landes, fließt es für die 6 Millionen Einwohner, sofern sie Zugang zu Leitungswasser haben, nur noch jeden 2. Tag aus dem Hahn. Im Norden des Landes, von Arusha über Kilimandscharo bis hin nach Tanga, gibt es mehrfach wöchentlich Stromabschaltungen, weil hier die Stromversorgung von mehreren Wasserkraftwerken abhängt, die gleichfalls betroffen sind.

In Dar es Salaam und Umfeld kündigte das regionale Wasserwirtschaftsamt Ende Oktober regelmäßige Abschaltungen an. Dar es Salaam entnimmt sein Leitungswasser aus 2 Flüssen, dem Kleinen und dem Grossen Ruvu, deren Wasserstände saisonal stark absinken. Im vergangenen Jahr setzte die Wasserrationierung erst im November ein, in diesem Jahr nun bereits Ende Oktober. Viele Dar es Salaamer in den ärmeren Vororten sind von Wasserlöchern und Tümpeln abhängig. Wo es diese nicht gibt, müssen sie zu derzeit steigenden Preisen ihr Wasser von Verkäufern beziehen. Eine Wasserhändlerin sagte der Zeitung, dass sie diese Arbeit seit 6 Jahren mache, aber noch nie soviel verdient habe wie jetzt. Dabei sei das Wasser, das sie bezieht, aus küstennahen Brunnen und wegen erhöhten Salzgehaltes nicht trinkbar. Man könne es aber zum Kochen und zum Waschen benutzen.

Das Problem ist seit langem bekannt, da durch starke Wasserentnahme für Landwirtschaft die Wassermengen der Flüsse geringer werden. Wasserminister Awesso forderte.die Wasserwirtschaftsbehörde auf, sich bei den Abschaltungen strikt an den bekanntgegebenen Plan zu halten, damit die Bürger zu verlässlichen Zeiten Wasser erhalten können.

Im Norden gab die Elektrizitätsgesellschaft Tanesco bekannt, dass die Wasserkraftwerke von Hale, Kihansi, Nyumba ya Mungu und Pangani nur noch 34 anstelle der üblichen 266 Megawatt liefern. Die Tanesco greift jetzt auf die gasbetriebenen Kraftwerke in Dar es Salaam zurück, die mit Erdgas aus den Fördergebieten bei Kilwa betrieben werden. Aber die Kapazität der Überlandleitungen reicht nicht aus. Tanesco baue jetzt neue Teilleitungen, um mehr Strom nach Norden zu transportieren. In Dar es Salaam werde ein Gaskraftwerk erweitert, sodass bis zum Jahresende zusätzliche 185 Megawatt ans Netz gehen können.

Guardian 26.10.2022, Mwananchi 27.10.2022:

Majestätsbeleidigung

Ein für tansanische Verhältnisse ungewöhnlich scharfer Kommentar nahm Parlamentspräsidentin Tulia Ackson aufs Korn und zeigte zugleich, wie sehr sich der Spielraum für die öffentliche Meinung unter Präsidentin Samia erweitert zu haben scheint. Der altgediente Journalist Jenerali Ulimwengu reagierte auf einen Auftritt Acksons in ihrem Wahlkreis, bei dem sie die Zuhörer aufforderte, sich jeden "vorzunehmen", der negativ über die Präsidentin redet. Ulimwengu sah hierin eine verklausulierte Aufforderung zur Gewaltandrohung und Gewalt sei in der tansanischen Politik so stark verankert, dass es bereits komisch wirke, wenn Politiker immer wieder Tansania als eine "Insel des Friedens" preisen; damit sei es spätestens vorbei gewesen, als die Polizei des damaligen Präsidenten Mkapa eine bis heute unbekannte Zahl von Bürgern vor der Wahl auf Pemba und Sansibar im Jahre 2001 erschoss. Ulimwengu sieht ein Problem in der Haltung des derzeitigen politischen Personals, die jegliche Kritik als eine Art von Majestätsbeleidigung ansehen; das Konzept eines "monarchischen Präsidenten" sei ein Krebsgeschwür für eine Republik, die Tansania doch sein wolle. Es ist bezeichnend, dass Ulimwengu seinen Kommentar in dem in Nairobi erscheinenden Wochenblatt "East African" veröffentlichte und nicht in einer tansanischen Zeitung.

East African 14.10.2022

Kabinettsumbildung

Anfang Oktober entließ Präsidentin Samia überraschend ihre Außenministerin Liberata Mulamula. Mulamula war die erste Ernennung Samias nach ihrem Amtsantritt gewesen. Als neue Außenministerin wurde die bisherige Verteidigungsministerin Stergomena Tax berufen, die als langjährige Geschäftsführerin der Staatengemeinschaft im Südlichen Afrika SADC außenpolitische Erfahrung hat. Der bisherige Staatsminister Innocent Bashungwa aus dem Präsidialamt zog ins Verteidigungsministerium um. Seine Stelle im Präsidialamt nahm die Juristin Angela Karuki ein, die bereits unter Magufuli dem Kabinett angehört hatte.

Über die Gründe für die Entlassung Mulamulas wurde ausgiebig spekuliert. Die Präsidentin machte dazu nur Andeutungen, als sie die Nachfolgerin vereidigte und dabei erklärte, Minister müssten die Grenzen ihrer Befugnisse kennen, dürften keine Geheimnisse ausplaudern und für ihre eigenen Entscheidungen geradestehen; es ginge nicht, dass sie sich nachträglich zu distanzieren suchen mit dem Hinweis, sie hätten Anweisungen „von oben“ ausgeführt. Im East African wurde vermutet, der Anlass könne ein Foto der Ministerin mit dem amerikanischen Präsidentenehepaar gewesen sein, das anlässlich eines Empfanges zur UN-Vollversammlung gemacht wurde. Vom ranghöheren Vizepräsidenten gab es kein Bild mit den Bidens, sodass die Frage aufkam, ob sich die Außenministerin hier vorgedrängt habe und den Platz beanspruchte, der eigentlich Vizepräsident Mpango zugestanden haben sollte. Überhaupt hätte Mulamula an die Seite Samias bei deren gleichzeitigen Besuch in Mosambik gehört anstatt auf die UN-Sitzung.

Citizen 02. + 09.10.2022, East African 08.10.2022, Mwananchi 03.10.2022

Psychotest für Politiker?

Anlässlich des von der Weltgesundheitsorganisation ausgerufenen “Welttages für psychische Gesundheit” schlug der vormalige Parlamentspräsident Job Ndugai die Überprüfung von Parlamentskandidaten auf ihren Geisteszustand vor. Ndugai, der Anfang des Jahres nach einem Konflikt mit Präsidentin Samia zurücktreten musste, sprach als Abgeordneter von Dodoma bei einer Veranstaltung im zentralen psychiatrischen Krankenhaus der Stadt. Jeder Bewerber auf ein Mandat sollte hier vorbeikommen und seine seelische Verfassung nachmessen lassen. Aus dem Bericht wurde nicht deutlich, ob dies ein verklausulierter Kommentar zur tansanischen Politik war, die ihn vor Kurzem sein Staatsamt gekostet hatte, oder nur eine Referenzbekundung an die Institution, in der er zu Gast war.

Mwananchi 12.10.2022

Sozialabgaben werden zurückgezahlt

Die Regierung beschloss, den Betroffenen der Entlassungswelle im Jahre 2017 ihre Sozialabgaben zurückzugeben. Auf Anweisung des damaligen Präsidenten Magufuli war eine Überprüfung der Zeugnisse aller Regierungsmitarbeiter durchgeführt worden. Infolge wurden über 14,000 Angestellte entlassen, da sie bei ihrer Einstellung gefälschte Abgangszeugnisse von Schulen bzw. Hochschulen vorgelegt hatten. Mit dieser fristlosen Entlassung verfielen auch alle Beiträge, die sie in die staatliche Rentenkasse NSSF eingezahlt hatten. Nach dem Tode Magufulis wurde hin und wieder Kritik an der Maßnahme geäußert, da die Entlassungen ohne Rücksicht auf tatsächlich geleistete Dienstjahre durchgeführt wurden. Jetzt stimmte Präsidentin Samia zu, den Betroffenen die von ihren Gehältern einbehaltenen Sozialbeträge - ohne den Arbeitgeberanteil auszuzahlen. Weniger erfreulich dürfte für viele die damit verbundene Bürokratie sein: sie sollen mit 2 Fotos ihre ehemaligen Dienststellen aufsuchen, um sich hier ihre Tätigkeit auf einem Formular bestätigen zu lassen, was in zahlreichen Fällen weite Reisen bedeuten wird.

Citizen 26.10.2022DN 27.10.2022