Justizwesen - 09/2021

Aus Tansania Information
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Terrorismusklage gegen Oppositionsführer

In Dar es Salaam steht der Chademavorsitzende Freeman Mbowe unter einer Anklage wegen Terrorismus vor Gericht. Mbowe wurde am 21. Juli nachts in seinem Hotel in Mwanza verhaftet. Er war angereist, nachdem die Polizei am 20. Juli eine Versammlung seiner Partei aufgelöst hatte, mit der eine Kampagne für eine neue Verfassung eingeleitet werden sollte. Der Regionalkommissar hatte das Treffen unter Hinweis auf die Covid-Epidemie verboten. Die örtliche Polizei hatte Mbowes Verhaftung zunächst mit Verstoß gegen das Versammlungsverbot begründet. Er wurde dann nach Dar es Salaam gebracht und hier erklärte die Polizei, er sei wegen der Vorbereitung terroristischer Straftaten festgenommen. Er habe gemeinsam mit weiteren Angeklagten Anschläge auf Tankstellen vorbereitet, die das Land ins Chaos stürzen sollten. Ferner habe er die Ermordung von Ole Sabaya geplant, den damaligen Distriktskommissar von Hai (Sabaya steht derzeit wegen Raubüberfall und Erpressung vor Gericht). Mbowe war bereits Anfang November 2020 unter dem Vorwurf der Terrorismusplanung verhaftet worden; damals hatte er zu Demonstrationen gegen das verkündete Ergebnis der Wahlen für Parlament und Präsident aufgerufen. Er war damals nach wenigen Tagen wieder freigelassen worden (vgl. Tansania Information 12/2020). Offenkundig wurde jetzt die Anklage von damals reaktiviert. Die Forderung nach einer neuen Verfassung läuft einer Äußerung von Präsidentin Samia zuwider, wonach das Thema jetzt nicht an der Reihe sei.

Die Staatsanwaltschaft brauchte offenkundig eine Weile, um ihre Anklagepunkte zu sortieren, denn Mbowe wurde entgegen der gesetzlichen 48-Stundenfrist erst nach 5 Tagen vor Gericht gebracht, um Anklage zu erheben; vor Gericht wurde der Mordvorwurf zunächst nicht genannt, die Vorwürfe sind Terrorfinanzierung entgegen dem Gesetz zur Geldwäsche und eine im August 2020 erfolgte Planung von Anschlägen; beide Vorwürfe sollen Kaution unmöglich machen.

Nachdem eine Demonstration vor dem Gerichtsgebäude gegen den Prozess von der Polizei zerschlagen wurde, verlegten sich einige regionale Chademagliederungen darauf, Fürbittgottesdienste und Andachten für den Vorsitzenden abzuhalten; die jeweiligen Parteibüros und Kirchengebäude wurden von der Polizei umstellt, die aber nicht eindrang.

Mbowes Anwälte hatten Anfang August Verfassungsklage gegen seine Verhaftung angestrengt; sowohl diese Verhandlung als auch die Hauptverhandlung gegen Mbowe begannen Ende August.

Die Chadema und oppositionelle Kommentatoren bewerten das Verfahren als Versuch, mittels der Justiz die Verfassungsdebatte abzuwürgen. Das US-Außenministerium und mehrere westliche Botschaften brachten ihre Besorgnis über die Behandlung Mbowes und den Umgang der Regierung mit Freiheitsrechten zum Ausdruck.

Die Anklage kündigte für die Hauptverhandlung 24 Zeugen und 19 Beweistücke an. Drei der Mitangeklagten Mbowes gaben mittlerweile vor Gericht an, von der Polizei gewaltsam zu Aussagen gezwungen worden zu sein. Mbowes Verteidigung will Polizeichef Sirro und den ehemaligen Distriktskommissar Ole Sabaya als Zeugen aufrufen.

Aljazeera 05.08.; Citizen 23.+27.07., 23.08.; DN 14.08.; East African 07.08.; Guardian 10.08.; Jamiiforums 27.07., 23.08; Mwananchi 25.+26.+27.07., 05.08.; Nipashe 23.07.2021

Mbowes kleiner Sieg

In einem anderen Verfahren errang Mbowe einen Sieg gegen die Anklage. Er war aufgrund von Äußerungen aus einem Wahlkampf im Jahr 2018 wegen Störung der öffentlichen Ordnung und Aufwiegelung zum Hass angeklagt. Mbowe hatte aufgezählt, dass gerade Mugabe in Zimbabwe und der Premierminister Äthiopiens gestürzt worden seien, und auch Magufuli sei so leicht wie ein Blatt Papier. Der Richter urteilte, dass die Äußerungen Mbowes auf eine Änderung der Regierung durch Wahlen abzielten und es genau darum in einer Demokratie gehe. Die Polizei habe nicht gezeigt, dass es Hass zwischen Bevölkerungsgruppen gebe, den Mbowe habe anstacheln können.

Mwananchi 13.07.2021

Ole Sabaya vor Gericht

Im August fand die Hauptverhandlung gegen Ole Sabaya, den ehemaligen Distriktskommissar von Hai statt. Gemeinsam mit 2 weiteren Mitangeklagten ist er wegen bewaffnetem Raubüberfall in drei Fällen angeklagt, die alle am 9. Februar 2021 begangen wurden. Eine Reihe von Zeugen sagte aus, wie Ole Sabaya in ein Geschäft in Arusha eindrang, dort die Angestellten misshandelte und TSh 2,7 Mill. stahlen, ferner einem der angestellten sein Mobiltelefon und sein Bargeld wegnahmen, und schließlich den Ratsherren des Stadtbezirks in ihr Auto drängten, ihn mit der Waffe bedrohten und misshandelten und zur Herausgabe von TSh 390.000 zwangen. Sabaya behauptete, er sei im direkten Auftrag “seiner ernennenden Stelle” (also des Präsidenten) in den Laden geschickt worden, um hier Wirtschaftsverbrechen zu untersuchen. Bei Redaktionsschluss war das Verfahren noch nicht abgeschlossen.

Guardian 17.08., Mwananchi 09.08.2021

Samia: Praxis der Untersuchungshaft ändern

Präsidentin Samia wiederholte auf einer Tagung von Polizeioffizieren ihre Forderung, die Praxis der Inhaftnahme von Verdächtigen zu ändern. Die Polizei solle mit Juristen beraten, welche Gesetze hier zu ändern seien. Tansania weise mit 15.194 Untersuchungshäftlingen fast ebenso viele wie die 16.542 verurteilten Gefangenen auf. Es gehe nicht an, dass die Regierung monatelang oder jahrelang die Kosten für Häftlinge tragen muss, bei denen die Beweise für eine Verurteilung nicht ausreichen und die Gerichtsverfahren wegen noch nicht abgeschlossener Untersuchungen immer wieder vertagt werden. Sie wolle, dass Polizei in den Fällen Häftlinge freilässt, wo absehbar ist, dass die Untersuchung nicht zum Ziele führt.

Mwananchi 25.08.2021

Justiz fordert mehr Gefängnisse

Anfang August bat der Oberste Richter Ibrahim Juma die Regierung, in jedem Distrikt zusammen mit den Gerichten auch Gefängnisse einzurichten. Der Mangel an Gefängnisplätzen führe zur Überfüllung der Haftanstalten und zur Verzögerung der Verfahren, da es zu oft lange Wege zwischen Haftort und Verhandlungsort gibt.

Mwananchi 09-08.2021