Innenpolitik ‐ 03/2023

Aus Tansania Information
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Kabinettsumbildung

Im Februar nahm Präsidentin Samia Suluhu Hassan weitere Veränderungen im Kabinett vor. Fischereiminister Mashimba Ndaki wurde entlassen, an seine Stelle trat Abdallah Ulega. Sie versetzte zahlreiche stellvertretende Minister und tauschte mehrere Staatssekretäre aus. Sie versetzte auch einige Regionalkommissare, wobei einer entlassen wurde.

Bei der Vereidigung der Minister und Stellvertreter sagte Samia, dass Konflikte zwischen Ministern, Stellvertretern und Staatssekretären ein Hauptgrund für die Veränderungen waren. Sie forderte alle zu Zusammenarbeit auf. In Zukunft werde sie bei Konflikten nicht mehr Versetzungen vornehmen, sondern beide Beteiligte entlassen.

Während die ersten Kabinettsumbildungen Samias darauf zielten, Vertrauensleute ihres Vorgängers Magufuli aus Schlüsselpositionen zu entfernen und diese mit Personen ihres Vertrauens zu besetzen, ging es jetzt offenkundig um mehr Effektivität in der Arbeit der einzelnen Ressorts. Sie hatte beim Parteitag der CCM bereits angekündigt, dass sie Personen auswechseln wolle, die mit ihrem Tempo nicht Schritt halten.

Citizen 26.02.2023, Mwananchi 26.02.2023, Guardian 16.+28.02.2023

Kritik an Wahlkommissar

An den Veränderungen im Kabinett gab es öffentliche Kritik. Einige Beobachter fragten, warum unfähige Funktionäre neue Posten erhalten statt entlassen zu werden. Der pfingstlerische Bischof William Mamalanga, Vorsitzender der Ethikkommission der islamisch-christlichen Konferenz der Konfessionen Tansanias, sah in der Personalauswahl keinen positiven Beitrag zur Entwicklung des Landes.

Die Kritik konzentrierte sich auf die Versetzung des bisherigen Landeswahlleiters Charles Mahera als Staatssekretär in die Kommunalaufsicht. Damit könnte er für die Kommunalwahlen im kommenden Jahr 2024 zuständig werden, die bisher nicht von der Wahlkommission, sondern von der Kommunalaufsicht im Präsidialamt organisiert wurden. Mahera war als Landeswahlleiter für die Präsidial- und Parlamentswahl 2020 zuständig gewesen, die nach Ansicht der Opposition und vieler Beobachter manipuliert war und der CCM fast sämtliche gewählte Abgeordnete einbrachte. Die Opposition wurde schwer behindert, ihre Kandidaten und Wahlbeobachter in vielen Fällen nicht zugelassen und ihre Veranstaltungen im Vorfeld des Wahlkampfes von der Polizei verboten und zerschlagen. Im Jahr 2019 war bereits die letzte Kommunalwahl zugunsten der CCM manipuliert worden; die Regierung hatte die Organisation bis hin zu Wahlleitung und Auszählung in die Hände der von ihr selbst angestellten örtlichen Verwaltungen gelegt, die der Kommunalaufsicht unterstehen. Kritisch wird auch gesehen, dass Samia einen neuen Wahlleiter ernannte, obwohl die Diskussion über Schaffung einer neuen und regierungsunabhängigen Wahlkommission noch im Gange ist.

Mwananchi 26.02. + 01.03. 2023

Komplizierte Polemik

Die Oppositionsparteien nutzen ihre neugewonnene Versammlungsfreiheit für eine Serie von Kundgebungen quer durch das Land. In vielen Fällen geht es den beiden landesweit agierenden Oppositionsparteien Chadema und ACT-Wazalendo um den Wieder- bzw. Neuaufbau ihrer Parteiorganisation, die nach den Jahren des autoritären Stillstands unter Magufuli weithin eingegangen waren; unter Magufuli waren teilweise auch Vorstandssitzungen in geschlossenen Räumen von der Polizei als verbotene Versammlungen aufgelöst und Teilnehmer verhaftet worden.

Parteiführer wie Mbowe (Chadema) und Kabwe (ACT) touren jetzt durchs Land und sprechen auf oft sehr gut besuchten Versammlungen.

Beide Parteien setzen die seit dem Einsetzen des Ukrainekrieges gestiegene Inflation und die höheren Lebenshaltungskosten als Argumente gegen die 60-jährige Vorherrschaft der CCM ein, die sie der Passivität gegenüber diesen Problemen bezichtigen. Auch der Zustand des Bildungssystems und die Jugendarbeitslosigkeit werden oft genannt.

Beide Parteien balancieren dabei zwischen der Kritik an der ewigen Regierungspartei CCM und Bekundungen des Respekts gegenüber der Präsidentin und CCM-Vorsitzenden Samia Suluhu Hassan, die jetzt durch ihre politische Öffnung des Landes die öffentliche Tätigkeit der Opposition erst ermöglicht hat. Dagegen war sie in ihrer vorherigen Rolle als Vizepräsidentin unter dem verstorbenen Magufuli nie durch Abweichung von dessen immer autoritärer werdenden Politik aufgefallen.

Auf den Veranstaltungen der Opposition treten auch die ehemaligen Abgeordneten ihrer Parteien auf, die sämtlich bei der manipulierten Wahl von 2020 ihre Sitze verloren hatten und erinnerten daran, wie sie vor und nach der Wahl schikaniert, oft verhaftet und mit fingierten Anklagen vor Gericht gezogen worden waren.

Auf einer großen Chademakundgebung in deren vormaliger Hochburg Mbeya erinnerte der ehemalige Abgeordnete Joseph Mbilinyi daran, dass im Vorfeld des letzten Wahlkampfes auch eine Reihe von Geschäftsleuten und Unterstützern seiner Partei mit Anklagen wegen angeblichen Drogenhandels vor Gericht gestellt wurden und große Vermögenseinbußen hinnehmen mussten. Als Oppositionspolitikern seien ihnen bis vor kurzem nur noch Grußworte auf Beerdigungsfeiern als einziges öffentliches Forum geblieben.

Chademavorsitzender Mbowe sprach bei der gleichen Versammlung die anwesenden Polizisten an und appellierte an sie, sich nie wieder als Instrumente der politischen Unterdrückung gebrauchen lassen wie in den vergangenen 7 Jahren.

Bei der kommenden Wahl 2025 wird das Ergebnis von Mbeya sehr aufmerksam verfolgt werden. Derzeitige Abgeordnete in der vormaligen Oppositionshochburg ist seit 2020 Tulia Ackson für die CCM, die noch unter Magufuli eine rasche Karriere machte und seit 2022 Parlamentspräsidentin ist und somit eine der höchsten Stellungen im Lande innehat. Ackson war vorher noch nie gewählt, sondern als eine der von Magufuli berufenen Abgeordneten erstmals in Parlament gekommen und war dann 2020 im Wahlkreis Mbeya zur Gewinnerin erklärt worden.

Eastafrican 25.02.2023, Nipashe 26.02.2023

Ewige Ausweise

Die tansanischen Personalausweise haben ab sofort kein Ablaufdatum mehr. Als diese Ausweise 2013 eingeführt wurden, war ihre Gültigkeit auf 10 Jahre beschränkt. Vor 5 Jahren führte die Regierung verhältnismäßig erfolgreich eine Kampagne zur weiteren Verbreitung der Ausweise durch, indem sie die Ausweisnummer zur Voraussetzung zur Registrierung einer Telefonnummer machte und die unregistrierten Telefonnummern abschaltete. Damals gab es zahlreiche technische und verwaltungsmäßige Probleme bei der Registrierung, Erstellung und Aushändigung der Ausweise. Man darf vermuten, dass diese Erfahrung eine Rolle bei der jetzigen Entscheidung spielte, die anstehende Erneuerung der ersten Ausweise durch Einführung einer unbegrenzten Gültigkeit abzuwenden.

Citizen 22.02.2023, Mwananchi 21.02.2023

Gekränkte Abgeordnetenehre

Auf Anordnung von Parlamentspräsidentin Tulia Ackson wird eine Äußerung des Finanzministers Mwigulu Nchemba aus dem Sitzungsprotokoll entfernt. In einer Debatte über den Bericht des Haushaltsausschusses hatte Nchemba vorgeschlagen, die Abgeordneten sollten lieber über traditionelle Heilkunst debattieren und ihm die Fragen der Wirtschaft überlassen, davon verstehe er nämlich etwas.

Das brachte den CCM-Abgeordneten Katani dazu, den Minister der Beleidigung der Parlamentarier zu bezichtigen. Mwigulu seinerseits versuchte, diese Kritik unter Berufung auf die Geschäftsordnung zu tadeln, wonach kein Parlamentsmitglied Unwahrheiten verbreiten dürfe.

Präsidentin Ackson entschied schließlich, dass die anstößige Äußerung des Ministers aus dem Protokoll zu tilgen und somit ungeschehen zu machen sei.

Mwananchi 09-02-2023

Informationsfreiheit vertagt

Der Journalisten- und Verlegerverband kritisiert die Vertagung der Beratung des neuen Mediengesetzes in der Bunge. Die Regierung hatte angekündigt, das Gesetz nicht wie verabredet im März, sondern erst im April vorzulegen. Der Verbandsvorsitzende Deodatus Balile sagte dazu, dass die Wiederherstellung der Informationsfreiheit für Journalisten lange überfällig sei. Sie sei ein Recht aller Tansanier, nicht nur der Journalisten. Das geltende Gesetz aus dem Jahr 2016 stellte zwar eine Verbesserung gegenüber der vorherigen Regelung dar, die noch aus der Zeit der Einparteienherrschaft stammte. Aber auch das jetzt geltende Gesetz enthält Bestimmungen, die von der Magufuliregierung zur Zensur genutzt werden konnten. Dazu gehörte die Regel, dass jedes Medienunternehmen jährlich eine neue Lizenz beantragen muss. Seit vergangenem Jahr war unter Beteiligung von Regierung, Journalisten und anderen Organisationen über eine Neufassung beraten worden.

Citizen 09.02.2023

46 Jahre CCM

Aus Anlass des 46-jährigen Parteijubiläums fragte ein längerer Artikel im Citizen, ob Präsidentin und Parteivorsitzender Samia die Wandlung der Partei gelingen werde. Die CCM entstand 1977 aus dem Zusammenschluss der Tanganyika African National Union des Festlands und der Afro-Shirazi Party Sansibars. Samia stehe jetzt ein Balanceakt bevor, da die Erwartungen auf weitere Öffnung des politischen Raumes mit totalitären Tendenzen der Falken in der eigenen Partei kollidieren. Bisher sei es ihr gelungen, behutsam die Rückkehr von Oppositionspolitikern aus dem Exil und die Wiederzulassung von politischen Versammlungen durchzusetzen. Sie müsse aber weiter auf die Anhänger eines harten Kurses in der CCM Rücksicht nehmen, die unter ihrem Vorgänger Magufuli das politische Feld beherrschten. Die riesige Parlamentsmehrheit der CCM enthält viele Abgeordneten, die infolge der manipulierten Wahl von 2020 ihre Sitze in vormaligen Oppositionshochburgen einnehmen konnten.

Samia habe ihren Spielraum durch direkte Zuwendung an die breite Öffentlichkeit erweitert, wo sie sowohl durch verschiedene soziale und wirtschaftliche Maßnahmen als durch die Fortführung der von ihrem Vorgänger begonnenen Großprojekte wir Bahnbau und Fluggesellschaft habe Punkte machen können.

Samia habe schnell bemerkt, dass von dem positiven Image der einstigen Partei für Kleinbauern und Arbeiter in der Bevölkerung nicht viel übriggeblieben war. Sie setzte deshalb auf eine Verdreifachung des Etats für Landwirtschaft, womit den Bauern der Zugang zu Saatgut und verbilligtem Dünger erleichtert wird. Auch erhöhte sie den Mindestlohn im öffentlichen Dienst um 23%, der unter Vorgänger Magufuli seit 2016 nicht verändert worden war.

Laut dem Politikwissenschaftler Richard Bunda von der Universität Dar es Salaam steht Samia nach der Versöhnung mit der Opposition jetzt vor der Aufgabe, die rivalisierenden Flügel in der eigenen Partei zusammenzubringen.

Citizen 06-02-2023