Aus der Gesellschaft, Kirchen ‐ 07 + 08/2022

Aus Tansania Information
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Wiederkehr der Häuptlinge?

Der ehemalige Präsident Jakaya Kikwete hat vor einer Wiederbelebung des Häuptlingswesens gewarnt. In Tansania sind durch Gesetze alle früheren Befugnisse der traditionellen Herrscher in den ersten Jahren nach der Unabhängigkeit abgeschafft worden. In einigen Volksgruppen sind ehemalige Herrscher und ihre Nachfahren weiterhin respektiert. In den letzten Jahren gab es in weiteren Volksgruppen Bestrebungen, wieder Angehörige verstorbener ehemaliger Häuptlinge zu deren Nachfolgern zu erklären. Eine Vereinigung von Häuptlingen - die in Tansania im Gegensatz zu einigen Nachbarländern ohne jegliche Befugnis sind – tritt hin und wieder in der Öffentlichkeit auf. In manchen Gegenden werden sie bei öffentlichen Anlässen auch von staatlichen Stellen bei repräsentativen Anlässen mit eingeladen.

Citizen 09.06.22

Gewalt gegenüber Kindern

Arusha, Tanga, Mwanza und Shinyanga sind die Regionen Tansanias, aus denen die meisten Kindesmisshandlungen gemeldet werden. Dies erklärte die Leiterin der Abteilung für Wohlfahrtspflege im Sozialministerium bei einer Veranstaltung der Stiftung HakiElimu, die ihre Studie “State of Violence Against School Children in Tanzania Mainland“ vorstellte. Insgesamt wurden 2021 in Tansania 11.500 Fälle von Kindesmisshandlung festgestellt. Dazu zählen Vergewaltigung, sexueller Verkehr mit Minderjährigen, Inzest, körperliche und psychische Gewalt. Erfasst wurden unter anderem 5899 Vergewaltigungen Minderjähriger, 1677 Schwangerschaften bei Schülerinnen und 1170 Fälle von Inzest. Die ihrem Ministerium vorliegenden Zahlen zeigen einen Anstieg. Der Distrikt Ilala in Dar es Salaam weist die höchste Zahl von Berichtsfällen auf Distriktebene auf.

Laut der Studie von HakiElimu erleben 60% aller Schülerinnen psychische Gewalt, die ganz überwiegend auf Schulgelände ausgeübt wird. Dazu zählt die Studie Anschreien, Beleidigung und Bedrohung, Diebstahl oder Beschädigung persönlichen Besitzes.

Die Schule ist auch der Ort, wo Schüler körperliche Gewalt erleben. 16% der Befragten gaben an, dass sie diese zuhause empfingen, aber 82% in der Schule.

Über 90 % aller Schüler gaben an, die Prügelstrafe (“caning”) am eigenen Leibe erfahren zu haben, was Mädchen etwas öfter widerfuhr als Jungen. 55% gaben an, auch sonst geschlagen worden zu sein (“slapping”), 22% berichteten von anderen Formen wie Tritte, an den Ohren oder Haaren ziehen.

Knapp die Hälfte der Schüler gibt an, von Lehrern geschlagen worden zu sein; in der Sekundarschule ist der Anteil höher als in der Primarstufe. 20% nennen Eltern (im Grundschulalter sind es 25%), 10% nennen Mitschüler.

Guardian 28.06.22; die Studie ist veröffentlicht auf end-violence.org seit 2021

Konflikt in der Kondediözese

Im Juni setzte sich der Konflikt in der lutherischen Kondediözese der Region Mbeya fort. Nach seiner Absetzung durch eine Sondersynode erklärte der bisherige Bischof Edward Mwaikali gemeinsamen mit einigen Pfarrern und Teilen ihrer Gemeinden, die Diözese zu verlassen und sich der “Lutheran Church in East Africa (KKAM)” anzuschließen, einer bisher überwiegend nordtansanischen Abspaltung von der ELCT, die durch die US-amerikanische lutherische Missourisynode unterstützt wird.

In der Rundagemeinde der Stadt Mbeya, die von Mwaikali zu seiner Kathedralkirche erklärt worden, gab es daraufhin Auseinandersetzungen mit Teilen der Gemeinde, die in der Kondediözese bleiben wollen, als der bisherige Pfarrer den Wechsel der Kirche zur KKAM verkündete. Als Gerichtsvollzieher im Auftrag der neuen Leitung die bisherigen Büroräume von Mwaikali schließen wollten, wurden sie Anhängern des früheren Bischofs gehindert. Daraufhin schritt die Polizei ein, die sich auf die Seite der offiziellen Kirchenleitung mit dem neuen Bischof Geofrey Mwakihaba stellte. Die Kirche in Mbeya wurde vorübergehend von der Polizei geschlossen, Mwaikali und der bisherige Superintendent von Mbeya wurden vorübergehend festgenommen.

Mwaikali gab infolgedessen nach und übergab alles kirchliche Inventar an die neue Leitung, unter anderem seinen Bischofsstuhl, seinen Stab und Ring, Fahrzeuge und Grundstücksurkunden.

Die neue Leitung hat den Sitz der Diözese nach Tukuyu im klassischen Kondeland (Unyakyusa) zurückverlegt

Mwananchi 13. + 22. 06.22, Nipashe 14.06.22

Mord an Priester

Der brutale Mord an einem katholischen Priester fand in der Öffentlichkeit große Beachtung. In Mbeya war der Leiter des katholischen Jugendzentrums Michael Samson, ein aus Malawi gebürtiger Angehöriger der Gemeinschaft der Afrikamissionare (“Weiße Väter”) von seinem üblichen Abendspaziergang nicht zurückgekehrt. Sein verstümmelter Leichnam wurde 2 Tage später im nahen Flusslauf aufgefunden. Bis Redaktionsschluss konnte der Mord nicht geklärt werden.

Mwananchi 16.06.22

Gebührenfreiheit für Oberstufe der Staatsschulen

Die Regierung möchte nun auch die Gebühren für den Schulbesuch in der Oberstufe abschaffen. Für die technischen Schulen soll dieser Schritt später erfolgen. In Tansania besteht die Primarschule von Klasse 1 bis 7. Danach können Schüler die untere Sekundarstufe von Klasse 8 bis 11 besuchen, genannt Form I-IV. Diese Jahrgänge werden an staatlichen Schulen gebührenfrei unterrichtet. Die Unterrichtssprache an den staatlichen Primarschulen ist Swahili, in den Sekundarstufen Englisch.

In der staatlichen Oberstufe mit den Klassen 12 und 13 (Form V + VI) fallen bisher Schulgebühren an. Dies betrifft derzeit rund 147.000 Schülerinnen und Schüler. Neben den knapp 4000 staatlichen Sekundarschulen gibt es noch über 1000 private, die oft von religiösen Organisationen (christlich, islamische) sowie Stiftungen, Vereinen oder freien Unternehmern betrieben werden. Diese erheben weiterhin Gebühren. Aber häufig ist die Unterrichtsqualität besser, insbesondere, weil stärker auf die Anwesenheit der Lehrer geachtet wird. Als 2015 die Gebühren für Kl 8-11 in den staatlichen Schulen wegfielen, bekamen viele Privatschulen Probleme, da ein Teil der Schüler an staatliche Schulen wechselte. Jetzt wäre im Bereich der Oberstufe eine Neuauflage dieses Vorgangs wenig überraschend

Citizen 14.06.22

Überfüllte Schulen

Im Distrikt Kasulu nordöstlich von Kigoma gibt es nur 910 Klassenräume in den Primarschulen, während der Bedarf bei 1616 liegt, wie aus einer Reportage in der Zeitung Citizen hervorgeht. In diesem Distrikt gibt es 86 registrierte Primarschulen, von denen 13 noch keine eigenen Gebäude haben.

Beispielsweise wurde die Schule von Kumlama bereits im Jahre 2006 durch Teilung der Schule in Nkundusi gebildet Damals wurde ihr auch ein eigenes Gelände am neuen Standort zugewiesen. Auf dem Grundstück sind aber bisher aus Geldmangel erst 2 Klassenräume und ein Raum für den Schulleiter vorhanden. Die beiden Klassenräume wurden durch die internationale NGO Save the Children finanziert. Die Mehrzahl der 532 Kinder wird weiterhin in 4 mitbenutzten Räumen der Mutterschule Nkundusi unterrichtet. Es müssten eigentlich mehr Kinder sein, aber wegen der weiten Schulwege gibt es viele Abbrecher und Fehlzeiten. Derzeit hat die Schule 8 ihrer 14 Lehrerstellen besetzt, was ein Verhältnis von 76 Schülerinnen und Schülern pro Lehrer ergibt; es sollten aber nur 45 sein. Aufgrund der schwierigen Verhältnisse ist der Lernerfolg nicht gut, was wiederum viele Eltern nicht dazu motiviert, ihre Kinder zum Schulbesuch anzuhalten.

Der Schule fehlen derzeit noch 12 Klassenräume, Jungen- und Lehrertoiletten, Bibliothek und Erste-Hilfe-Raum, Lehrerzimmer und mindestens 8 Lehrerwohnhäuser.

Citizen 05.06.22

Drogenproblem

Die Regierung sieht ein wachsendes Drogenproblem in Tansania, das vor allem die Jugend betrifft. Minister George Simbachawene stellte im Juni bei einer Pressekonferenz Zahlen dazu vor. Im vergangenen Jahr wurden 905.000 Menschen wegen Drogenproblemen in staatlichen Krankenhäusern behandelt.

Im Jahre 2021 wurden 22,7 t Cannabis beschlagnahmt, was einen Zuwachs von 72% gegenüber dem Vorjahr bedeutet. Anders als im benachbarten Kenia ist in Tansania auch Khat verboten, von dem 10,9 t beschlagnahmt wurden. Die Menge des erfassten Heroins beträgt 1,13 t, was das Dreifache der Menge des Jahres 2020 ist. In 15 Behandlungszentren sind 11,650 Heroinabhängige registriert. Ferner wurden 811 g Kokain aus dem Verkehr gezogen. Neu in der tansanischen Drogenszene Metamfetamin in größeren Mengen, das auch als Crystal Meth bekannt ist. 9 Iraner wurden mit einer Ladung von 430 kg festgenommen.

Nichtregierungsorganisationen betreiben 44 Entgiftungszentren im Lande. Die Regierung plant, weitere Orte für Süchtige mit wenig finanziellen Mitteln zu ergänzen.

Für landwirtschaftliche Flächen, auf denen Cannabis wächst, wird mit Verstaatlichung gedroht. Praktisch dürfte dies nicht oft zum Zuge kommen, da das Kraut gern in öffentlichen Waldgebieten angepflanzt wird. Da Cannabis unter dem Namen “Bangi” bereits in vorkolonialer Zeit gebraucht wurde, ist in vielen Landesteilen die Akzeptanz für die staatlichen Verbote begrenzt. In den Nachbarländern Uganda und Ruanda wurde der kontrollierte Anbau der Pflanze für medizinische Zwecke bereits erlaubt, während in Tansania und Kenia noch Besitz, Transport und Gebrauch mit Freiheits- und Geldstrafen belegt sind.

Guardian 11.06.22