Thema: Tansania im afrikanischen Umfeld: Gesamtafrikanische Entwicklungen – 11/2019

Aus Tansania Information
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Kontinentale Freihandelszone AfCFTA

Alle afrikanischen Staaten außer Eritrea haben den Vertrag über das „Afrikanische Kontinentale Freihandelsgebiet“ (AfCFTA) unterzeichnet, 28 Länder haben ihn ratifiziert. Bis 2025 sollen die Zölle auf 90% aller Waren auf dem gesamten Kontinent wegfallen. Dadurch entsteht ein Markt mit 1,2 Mrd. Verbrauchern und einem Sozialprodukt von € 3 Billionen. Der innerafrikanische Handelsaustausch soll von jetzt 16% auf 52% steigen [vgl. den internen Handel in der EU: 69%]. Minderentwickelte Länder erhalten eine zehn- bis 15-jährige Übergangszeit zum Schutz einheimischer Firmen.

Die Afrikanische Export-Import-Bank etablierte einen Fonds über $ 1 Mrd. zum Verlustausgleich in der Anfangsphase. Die Bank stellte auch ihr „Panafrican Payment and Settlement System“ vor, das afrikaweit digitale Zahlungen in lokaler Währung ermöglicht, ohne den kostspieligen Umweg über eine harte Währung. Dadurch würden Transaktionskosten von $ 5 Mrd. jährlich eingespart und ein Teil des auf $ 50 Mrd. jährlich geschätzten informellen Handels formalisiert.

Besonders schwierig wird es sein, die Herkunftsregeln zu definieren, die zahlreichen nicht-tariflichen Handelshemmnisse auszuschalten und den interkontinentalen Rohstoff-Schmuggel zu begrenzen. Dies zeigte sich bereits in den regionalen Freihandelszonen: ECOWAS (West), EAC (Ost), SADC (Süd) und COMESA (Ost- und Südafrika). Das Sekretariat der AfCFTA soll in Ghana eingerichtet werden.

Die tansanische Regierung begrüßte den AfCFTA-Vertrag, will ihn aber erst später dem Parlament zur Ratifizierung vorlegen, weil bestehende Gesetze den Erfordernissen des Abkommens angepasst werden müssten.

Citizen 29.04.; 14.07.19; DN 26.06.19; Guardian 17.07.19East African 05.07.19;

Trends und Einflüsse

Dominierender Faktor ist das schnelle Wachstum der Bevölkerung. Sie nahm in den vergangenen 10 Jahren um 26% zu. 60% der nunmehr 1,3 Mrd. Afrikaner sind jünger als 25 Jahre. Sehr Viele von ihnen sind ohne qualifizierte Ausbildung und regelmäßiges Einkommen. Die Afrikanische Entwicklungsbank rechnet daher 2030 mit 100 Mill. erwerbslosen jungen Leuten. Obwohl in den letzten 10 Jahren das kontinentale Sozialprodukt um 40% zugenommen hat, sind die Geschäfts- und Beschäftigungschancen kaum gewachsen. Das beträchtliche Wirtschaftswachstum kommt in erster Linie von boomenden Rohstoff-Exporten; eine Diversifizierung hin zu weiterverarbeitenden Industrien gelang nur ansatzweise.

Tansania zeigt in dieser Hinsicht relativ harmonische Verhältnisse: es nimmt laut IIAG [s.u.] beim Bruttosozialprodukt Platz 10 in Afrika ein und erreicht bei den Erwerbschancen Rang 14 unter 54 Staaten, wenngleich es bei Geschäftsklima, Landwirtschaft und Öffentlichem Dienst keine Fortschritte verzeichnen konnte. Leichte Verbesserungen zeigt Tansania in den Bereichen Sicherheit, Menschenrechte (!) und Lebensbedingungen („menschliche Entwicklung“).

Entscheidende Faktoren für die künftige Entwicklung des Kontinents sieht der instruktive „Ibrahim Index of African Governance“ (IIAG) in

  • Rechtsstaatlichkeit und Korruptionsbekämpfung
  • Unabhängigen Institutionen hierzu, vor allem im Justizwesen
  • Ausbau regionaler und kontinentaler Infrastrukturen, vor allem Bahn, Telekommunikation und digitale Dienste
  • Bildungswesen: verbesserte Qualität und Anpassung an den Arbeitsmarkt
  • Frauen und junge Generation: wirtschaftliche und politische Repräsentation und Einbindung
  • Effektives, korruptionsfreies Gesundheitswesen

Als Risikofaktoren werden genannt:

  • Protektionistische Bestrebungen
  • Wetterkatastrophen, verstärkt durch den Klimawandel
  • Konflikte und Terroranschläge
  • Politische Instabilität und autokratische Tendenzen
  • Überschuldung mancher Länder
  • Unzureichende und unzuverlässige Statistiken können zu kritischen Fehlentscheidungen führen

Citizen 28.03.; 17.,20.10.19; Guardian 30.10.18; www.mo.ibrahim.foundation 2018 und 2019, dort „Ibrahim Index of African Governance - IIAG“

Infrastruktur

39 afrikanische Staaten beschlossen mit der „Kairo-Deklaration“ abgestimmte Aktionspläne für Transport, Energie und Tourismus.

Die neu gegründete „African Union Development Agency“ (in Johannesburg, Südafrika angesiedelt) soll Afrikanische Union (AU), regionale Staatengemeinschaften und einzelne Länder koordinieren, regionale und kontinentale Prioritäten setzen und eine schnellere Umsetzung von Beschlüssen ermöglichen. Ähnliche Ziele verfolgt das 2012 begonnene „Program for Infrastructure Development in Africa“, dessen „Priority Action Plan“ bis 2040 51 große Projekte in den Bereichen, Wasser, Verkehr, Elektrizität und Informationstechnik für $ 68 Mrd. realisieren will. Zur Zeit erhält Afrika jährlich $ 50 Mrd. offizielle Entwicklungshilfe (ODA) und führt Nahrungsmittel für $ 55 Mrd. ein.

Die AU-Kommission gründete 2018 das „Continental Business Network“. Es soll privat finanzierte Infrastruktur-Vorhaben erleichtern.

Der „Transform Africa Summit“ in Kigali, Ruanda versammelte 4.000 Delegierte, die über die Entwicklung einheitlicher digitaler Informationssysteme berieten. Im Mittelpunkt stand die Identifikation von Personen und fälschungssichere Ausweise.

Guardian 16.02.18; 02.,22.04.19; East African,16.05.19; www.nepad.org

Grundrechte

Das „UK Overseas Development Institute“ und „Save the Children“ wiesen darauf hin, dass 2030 36% aller Kinder in Afrika geboren werden, wo 40% der Bevölkerung von weniger als $ 1,90 pro Tag leben. Weder afrikanische Regierungen, noch große Geber-Organisationen wie Währungsfonds und Weltbank hätten bisher dieses Problem zum Zentrum ihrer Planungen gemacht. Dies verletze nicht nur die Rechte der Kinder, sondern gefährde auch viele weitere Entwicklungsziele.

Zusammen mit den UN wird die Afrikanische Union ab 2020 einen Preis für hervorragende Afrikanerinnen schaffen, die sich um Frauenrechte und Frieden verdient gemacht haben. - Die AU setzt einen Ausschuss ein, der sexuelle Übergriffe von Vorgesetzten in der AU-Kommission untersuchen soll.

Afrikanische Länder haben zahlreiche Flüchtlinge aufgenommen, die meist das UN-Flüchtlingskommissariat UNHCR unterhält. Dieses musste wegen Finanzproblemen wiederholt Essensrationen kürzen. Einige Zahlen (aus 2018): Uganda 1,46 Mill. Geflüchtete, Äthiopien 920.000, Sudan 919.000, DR Kongo 537.000, Kenia 469.000, Tansania 349.000, Südsudan 298.000, Ruanda 142.000 Flüchtlinge. Ruanda nimmt in Zusammenarbeit mit der Afrikanischen Union und dem UNHCR Flüchtlinge aus libyschen Internierungslagern auf. Sieben von zehn Ländern, aus denen die meisten Menschen fliehen, liegen in Afrika, an vorderster Stelle Südsudan und Somalia.

Schwieriger ist die Lage der Migranten, die mit Einheimischen in den Aufnahmestaaten um Arbeit konkurrieren. Besonders in Südafrika kam es daher zu schweren Ausschreitungen.

20% der afrikanischen Kinder im Alter von 6 bis 11 Jahren gehen nicht zur Schule. Die Kindersterblichkeit (0 bis 5 Jahre) sank seit 1990 (18,2%) auf 7,8% (2018). In Europa liegt sie bei 0,6%. Tansania meldet zwischen acht und 11% Unter-5-Mortalität.

„Freedom House“, Washington und „International Centre for Policy and Conflict“ weisen darauf hin, dass sehr viele afrikanische Staaten in letzter Zeit die zivilgesellschaftlichen Spielräume und die Arbeitsmöglichkeiten von Menschenrechtsorganisationen stark eingeschränkt haben. Unter dem Vorwand der Terrorismusbekämpfung, der Internetsicherheit oder der öffentlichen Ordnung hindern restriktive Gesetze NROs und Opposition daran, herrschende Regimes zu kritisieren. Manche vermuten, dass die repressive Legislatur von China inspiriert ist. Während diese Strategie vielerorts - auch in Tansania - erfolgreich war, verhinderten u.a. in Kenia, Malawi und Nigeria Gerichte die repressiven Gesetze. Äthiopien hob mit der „Erklärung zur Zivilgesellschaft“ 2019 die vorher drakonischen Unterdrückungsmaßnahmen wieder auf.

Kenia, Tansania und Uganda lehnten einhellig ab, dass der Internationale Strafgerichtshof Gräueltaten und Menschenrechtsverletzungen in Burundi untersucht. Dies verhärte den Standpunkt der dortigen Opposition und verhindere so eine gütliche Einigung. Tansania will die burundischen Flüchtlinge zur Rückkehr bewegen, da die Verhältnisse dort stabil und sicher seien.

Die Regierung erklärte, Tansania habe die „Afrikanische Charta zu Demokratie, Wahlen und Staatsführung“ nicht ratifiziert, weil einzelne Passagen nicht mit tansanischen Gesetzen vereinbar seien.

In den letzten 14 Jahren haben 15 afrikanische Staaten begrenzte Amtsperioden für Staatspräsidenten abgeschafft. Diese können damit de facto auf Lebenszeit regieren. In Tansania gab es seit 2015 mehrere Vorstöße in dieser Richtung, die Regierung und Gerichte jedoch stets zurückwiesen.

Citizen 19.11.17; 24.11.18; 16.07.; 25.10.19; East African 14.08.18; 2005.19; Guardian 03.09.19; Habari Leo 14.11.18; New Times, Kigali 10.09.19

Impulse

Der Korruptionsbeirat der Afrikanischen Union (AU) entwarf Leitlinien, um unterschlagene und illegal transferierte Gelder aus dem Ausland zurückzuholen. Ohne den politischen Willen zur Korruptionsbekämpfung werde es keinen Fortschritt geben.

Die UN-Wirtschaftskonferenz für Afrika erklärte, die Entwicklung des Kontinents dürfe nicht überwiegend von Entwicklungshilfe abhängen, sondern benötige deutlich mehr Eigenmittel. Dazu müssten die Steuern konsequent eingetrieben und illegale Geldabflüsse ($ 50 Mrd. pro Jahr) verhindert werden. Der ruandische Präsident P. Kagame forderte während seines AU-Vorsitzes wiederholt, Afrika müsse sich von „westlicher“ Entwicklungshilfe unabhängig machen, die eher zu Ausbeutung als zu Entwicklung führe. Die Afrikaner hätten alle nötigen Ressourcen und Fähigkeiten, sie müssten nur wagen, sie einzusetzen. Afrika dürfe sich keinesfalls der weltweiten Tendenz zu Protektionismus und Handelshemmnissen anschließen.

Die Initiative „Power for All“ weist auf die großen Vorteile netzunabhängiger Elektrizität aus erneuerbaren Energiequellen hin. Sie ermögliche eine rasche Elektrifizierung ländlicher Zonen. Vor allem aber generiere sie im Gegensatz zu zentraler Stromerzeugung sehr viele Arbeitsplätze. Bis 2022 könnten dadurch in Afrika 1,3. Mill., bis 2030 sogar 4,5 Mill. nachhaltige Jobs entstehen.

In Dar Es Salaam erkundeten 2.000 Delegierte aus mehreren Ländern bei der „Woche der Vierten Industriellen Revolution“ Möglichkeiten digitaler Techniken wie Robotik, Blockchain, künstliche Intelligenz, virtuelle Realitäten und 3D-Druck. Bereits heute nutzen 995 Mill. Afrikaner/innen ein Mobiltelefon und 362 Mill. das Internet.

Der tansanische Industrieminister sagte bei der Konferenz des Afrikanischen Forschungsnetzwerks AfricaLICS, die afrikanischen Länder müssten günstigere Voraussetzungen für innovatives Denken und Anpassung moderner Technologien schaffen. Schüler und Lehrende dürften sich nicht auf das Reproduzieren von Lerninhalten beschränken, sie müssten vielmehr überlieferte Konzepte in Frage stellen und nach unkonventionellen Lösungen suchen.

DN 18.,23.10.19; Guardian 28.05.18; 30.03.; 10.10.19; Habari Leo 27.12.18; New Times, Kigali 13.10.19; www.africalics.org; www.powerforall.org

Entwicklungspartner, Militärpräsenz

Bei einer Expertentagung in Peking betonten chinesische Sprecher, China wolle der Afrikanischen Union helfen, ihre „Agenda 2063“ zu realisieren. Ziel sei es, dass die afrikanischen Staaten sich selbst entwickelten. China sei mit einem Handelsvolumen von $ 204 Mrd. Afrikas wichtigster Handelspartner. 44 afrikanische Staaten hätten im Rahmen der „Belt and Road Initiative“ Kooperationsverträge mit China abgeschlossen. Derzeit schulden afrikanische Länder China $ 83 Mrd. für Entwicklungskredite. Diese sind, im Gegensatz zu Krediten westlicher Geber oder der Weltbank, nicht an Bedingungen wie Achtung der Menschenrechte gebunden.

Die chinesische Volksbefreiungsarmee beteiligte sich an Friedensmissionen in Sudan, Südsudan, Liberia, Mali und DR Kongo. China unterstützte die AU-Friedensmission in Somalia finanziell. China unterhält eine Militärbasis in Dschibuti, Ostafrika. Wesentlich stärker engagierten sich die USA auf dem afrikanischen Kontinent mit mehr als 7.000 Soldaten in 34 Militärbasen, deren größte sich ebenfalls in Dschibuti befindet.

Präsident Putin lud mehr als 50 afrikanische Staatsoberhäupter zu einem zweitägigen Forum nach Sotschi, Russland ein. Er folgt damit ähnlichen Begegnungen, die kürzlich von den USA, der EU, China und Japan veranstaltet wurden. Putin betonte, Russland habe afrikanischen Schuldnern insgesamt $ 20 Mrd. erlassen. Das afrikanisch-russische Handelsvolumen beträgt $ 20 Mrd. (USA: $ 40 Mrd., 2012 noch 120 Mrd.). Tansania bezieht aus Russland neben militärischen Gütern auch Chemieprodukte und Maschinen.

In der Vergangenheit hat Russland vor allem militärische Ausrüstung und Waffen an afrikanische Staaten verkauft, 2019 im Wert von $ 4 Mrd. an 20 Länder. Militärische Zusammenarbeit besteht mit Kenia, Ruanda, Tansania und Uganda. Während der Sotschi-Konferenz stellten russische Waffenproduzenten ihre neuesten Modelle von Sturmgewehren, Hubschraubern und Gesichtserkennungstechnik vor. Ruanda verhandelt mit Russland über ein Raketen-Abwehrsystem. Die russische Rosatom Global wird bis 2024 in Kigali, Ruanda einen Atomreaktor zur Stromerzeugung bauen. Rosatom hat früher in Tansanias Selous-Schutzgebiet Uran gewonnen, sich dann aber wieder zurückgezogen. Der tansanische Premier lud die russische Bahnbehörde ein, in Tansania zu investieren, entweder in die geplante neue Bahnlinie Mtwara – Ruvuma oder in Lokalbahnen in Großstädten wie Dar Es Salaam, Mwanza, Dodoma, Arusha, Mbeya.

Die EU gründete mit afrikanischen Staaten die „Africa-Europe Alliance for Sustainable Investment and Jobs“. Sie soll marktnahe Ausbildung und gutes Investitions- und Geschäftsklima fördern. Die EU stellte $ 200 Mill. für Garantien zur Verfügung, die Investitionen in Kleinunternehmen und landwirtschaftliche Betriebe anlocken sollen. Mit $ 70 Mill. fördert die EU Solaranlagen und mit $ 57 Mill. den Aufbau der Kontinentalen Freihandelszone. Die EU-AU-Allianz richtete vier gemeinsame Arbeitsgruppen ein:

  • Ländliche Entwicklung
  • Digitale Wirtschaft
  • Energie
  • Transport

Der Afrikanische Kontinent ist der drittgrößte Handelspartner der EU: 7% der EU-Importe und 8% der Exporte. 2016 erzielte die EU einen Handelsüberschuss von $ 26 Mrd. gegenüber den AU-Staaten. Die meisten afrikanischen Länder sträuben sich noch gegen die von der EU angebotenen Wirtschaftspartnerschaften (EPA). Nur Südafrika hat ein solches Abkommen ratifiziert.

Die „Jobs for Youth in Africa Initiative“ der Afrikanischen Entwicklungsbank hat seit 2016 $ 1 Mrd. für innovative landwirtschaftliche Betriebe bereitgestellt.

DN 02.09.; 25.10.19; East African 21.10.; 02.11.; 27.12.18; 20.,27.10.19; Guardian 24.09.19; The Reporter, Addis Abeba 12.07.19